KI ist das Buzzword dieser Tage. Nahezu alle Branchen sind geprägt von Debatten darüber, wie die Intelligenz des Computers unsere Welt verändern wird. Auch im Verkehrsbereich schlägt die Thematik immer höhere Wellen. Hier tritt die KI wie beim Holon Mover der Hochbahn medienwirksam als zukünftiger Fahrer unserer Fahrzeuge zutage. Das dazugehörige Schlagwort autonomes Fahren geistert bereits seit einigen Jahren mit hoher Präsenz durch die Fernsehsender, Webseiten und Zeitungen dieser Welt. Alle scheinen nur noch auf den letzten großen Durchbruch zur Markttauglichkeit zu warten. Auch an Hamburg geht diese Entwicklung nicht spurlos vorbei. Ganz im Gegenteil, es entwickeln sich seit einiger Zeit einige sehr ambitionierte Projekte, die autonome Fahrzeuge auf die Straßen bringen wollen.

Auch Moia von VW, die seit 2018 mit ihren Kleinbussen in Hamburg sogenanntes Ridepooling betreiben, will ab 2025 mit autonomen Fahrten im Raum Winterhude beginnen. Auch die VHH und die Hochbahn haben mit ihrem emoin-Pilotprojekt in Bergedorf und HEAT in der HafenCity erste Erfahrungen mit autonom verkehrenden Angeboten im ÖPNV gemacht.

Kürzlich stellte nun die Hochbahn in der HafenCity ihr Konzept vom Nahverkehr der Zukunft vor, zumindest in Hamburgs Randlagen. Hier sollen in Zukunft autonom fahrende Kleinbusse den Menschen ein ÖPNV-Angebot machen. Diese Fahrzeuge wurden auf den Namen Holon Mover getauft. Bereits 2025 soll es mit ersten Testfahrten im Fahrgastbetrieb losgehen.

Die Grafik zeigt eine Visualisierung des Holon Movers im Hochbahn-Design.
Der Holon Mover in einer Visualisierung. Solche autonomen Kleinbusse sollen in Zukunft das HVV-Angebot in den ländlichen Gegenden des Verbunds ergänzen. Quelle: Holon/Hochbahn.

2030 sollen dann bis zu 10.000 solcher autonomer Kleinbusse in den dünner besiedelten Randlagen der Stadt das HVV-Angebot ergänzen. Denn der sogenannte Hamburg-Takt soll allen Menschen in Hamburg innerhalb von fünf Minuten unabhängig vom Wohnort ein attraktives ÖPNV-Angebot garantieren. Neben dem Ausbau des ÖPNV soll dafür auch der Holon Mover ein wichtiger Baustein werden.

Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen der Entwicklung des autonomen Fahrens mit Skepsis begegnen und sich fragen, was das eigentlich alles soll mit den Hochglanzpräsentationen von autonomen Moia-Kleinbussen oder dem Holon Mover. Daher möchte ich das Thema in diesem zweiteiligen Beitrag einmal näher beleuchten und erläutern, warum ich die grundsätzliche Strategie der Stadt Hamburg und ihrer Verkehrsunternehmen für richtig halte.

In diesem Teil möchte ich zunächst einmal das Grundproblem erläutern, für das autonome ÖV-Fahrzeuge wie der Holon Mover eine Lösung sein könnten. Anschließend möchte ich auf die Kritik am Holon Mover eingehen und zu guter Letzt vor dem Hintergrund des im anderen Teil des Beitrags erläuterten Spannungsfelds privatwirtschaftlicher Interessen am Beispiel von Volkswagen und Moia im Vergleich zum Holon Mover erläutern, warum ich das Vorgehen der Stadt Hamburg und ihrer Verkehrsbetriebe dennoch für richtig halte. Die Kritik an privatwirtschaftlichen Angeboten am Beispiel von Moia in Hamburg führe ich detailliert im zweiten Teil dieses Beitrags aus.

Hier zum anderen Teil des Beitrags: Warum Angebote wie Moia kein guter Partner für die Verkehrswende sind.

Das Grundproblem des ÖPNV in ländlichen Räumen

Wir müssen, um Klimaziele zu erreichen und unsere Großstädte lebenswerter und resilienter gegen den Klimawandel gestalten zu können, Flächen für den Umweltverbund und Grünräume in den Straßen generieren. Da der zur Verfügung stehende Platz begrenzt ist, geht dies größtenteils nur durch eine starke Reduzierung des Autoverkehrs. Nur durch Umverteilung der vielen Flächen, die heute für den immensen Kfz-Verkehr genutzt werden, können wir Städte mit hoher Lebensqualität, für alle zugänglicher Mobilität und attraktiven öffentlichen Räumen schaffen, die während Hitzeperioden durch viel Stadtgrün noch erträglich sind und bei Starkregenereignissen viele Versickerungs- und Regenrückhalteflächen bieten, um starke Überschwemmungen zu verhindern.

Einer von vielen Ansatzpunkten zur Erreichung dieser Ziele ist es, den zu großen Teilen im privaten PKW zurückgelegten Pendelverkehr aus den ländlichen Gebieten um die Großstädte herum aus der Stadt herauszuhalten und auf andere Verkehrsträger zu verlagern. Denn in den Städten selbst ist das Auto häufig bereits heute gar kein so relevanter Verkehrsträger mehr. Ein großer Teil des innerstädtischen Autoverkehrs stammt gar nicht von den Stadtbewohnern, sondern ist Pendelverkehr, der aus eher ländlich bis klein- und mittelstädtischen Lagen im Einzugsbereich großer Städte zur Erreichung der Arbeitsstätte in die Städte kommt.

Um dort für Veränderung zu sorgen, brauchen die heute noch im PKW pendelnden Menschen also attraktive und gute Alternativen zum eigenen Auto. Die gibt es in dünner besiedelten ländlichen Gegenden häufig aber nicht wirklich, wenn man nicht beispielsweise das Glück hat, direkt neben einer Regionalbahnstation zu wohnen.

Und genau bei solchen Menschen setzt in Hamburg beispielsweise der sogenannte Hamburg-Takt an. Damit hat die Hamburger Politik das Versprechen gemacht, allen Menschen in Hamburg bis zum Jahr 2030 ein ÖV-Angebot innerhalb von 5 Minuten ausgehend vom Wohnort zu bieten und so den Anteil des ÖPNV am Modal Split von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Ganz egal ob in dicht besiedelten Gegenden wie Hoheluft-West oder ländlich geprägten Räumen wie Altengamme.

Mit den klassischen Werkzeugen des ÖPNV, also liniengebundenen Angeboten nach einem festen Fahrplan, ist das aber in den eher ländlich geprägten Randlagen der Stadt nur schwer wirtschaftlich abbildbar. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Kern des ÖPNV ist bisher die Bündelung von Fahrten vieler Menschen in einem liniengebundenen Fahrzeug, sei es nun der Bus, die Straßenbahn, die U- oder S-Bahn, Fähre oder was auch immer. Also ein ÖV-Fahrzeug, das zu einer festgelegten Zeit festgelegte Haltestellen entlang einer festgelegten Linienroute anfährt. Das klappt in der Stadt ziemlich gut. Hier fahren die Fahrzeuge meist in einem recht engen Netz und auch in einem recht dichten Takt, in Hamburg zum Beispiel alle 5 oder 10 Minuten und auf einigen Linien sogar noch öfter.

Die Probleme auf dem Land: Lange Fahrzeiten + seltene Fahrten = keine Konkurrenz zum Auto

Nun ist das Problem in ländlichen Regionen ziemlich simpel: Wo nur wenige Menschen wohnen und arbeiten und es auch sonst nur wenig kontinuierliche Quellen und Ziele von Wegen gibt, gibt es schlicht nur wenig Fahrgäste und damit auch Fahrten, die in einem liniengebunden verkehrenden Fahrzeug des ÖV wirtschaftlich gebündelt werden können. Die Folge: Um genügend Fahrten der Menschen in einem Fahrzeug bündeln zu können, fährt das ÖV-Fahrzeug nicht mehr alle 5 oder 10 Minuten wie in der inneren Stadt, sondern eben nur noch alle 30 oder 60 Minuten oder sogar noch seltener.

Der Grundgedanke vonseiten des ÖV-Betriebs ist klar nachvollziehbar: Wenn ich nicht alle 5 Minuten fahre, sondern nur alle 60, zahle ich nicht 12 mal die Stunde Bus, Fahrer und Treibstoff (und alles, was sonst so zum ÖV-Betrieb dazugehört), um vielleicht jeweils 1-2 Fahrgäste im Bus zu befördern, sondern ich zahle nur ein mal pro Stunde Bus, Fahrer und Treibstoff (und alles, was sonst so zum ÖV-Betrieb dazugehört) und habe dann vielleicht in der einen Fahrt ein paar mehr Fahrgäste im Bus und bin besser ausgelastet.

Aus Sicht der Fahrgäste sieht die Sache in der Regel ganz anders aus und auch diese Sicht ist ebenfalls klar nachvollziehbar. Deren Lebensrealität ist nämlich eine völlig andere, die nicht mit der Sichtweise des ÖV-Betriebs zusammenpasst. Sie müssen zu einer bestimmten Uhrzeit an irgendeinem Ort sein und diese Zeit richtet sich in aller Regel nicht nach dem Fahrplan des Linienbusses. Die Folge: Statt 15-20 Fahrgäste im Bus alle 60 Minuten, holt der Bus nur die wenigen Leute ab, die nicht bereits ins Auto gestiegen sind oder die aus finanziellen oder anderen Gründen nicht ins Auto steigen können.

Der Bus beziehungsweise das ÖPNV-Angebot wird zur puren Daseinsvorsorge für die Leute, die keinen Zugang zum Auto haben (Schüler, Menschen ohne Führerschein, Menschen ohne ausreichend Geld für ein Auto etc.). Alle anderen steigen schlicht auf’s Auto um, da der ÖPNV ihnen kein attraktives Angebot machen kann.

So bleibt der Bus also trotz oder gerade wegen des ausgedünnten Takts genauso leer, wie wenn er alle fünf Minuten fahren würde. Und daraus folgt neben dem für die Fahrgäste unflexiblen Takt häufig noch ein weiteres Problem: Um möglichst viele Fahrgäste mit dieser einen, selten verkehrenden Buslinie zu erreichen, steht nicht mehr die sogenannte Verbindungsfunktion im Vordergrund, sondern die Erschließungsfunktion.

Das bedeutet: Um wirklich alle in einem ländlichen Gebiet lebenden Menschen erreichen zu können, verkehrt der Bus nicht mehr auf direktem Weg zwischen Start und Ziel, sondern fährt in einem Zick-Zack-Kurs möglichst alle zerstreuten Siedlungen zwischen Linienstart und Linienende an. Die Folge: Der Bus fährt nicht nur sehr selten, sondern braucht auch noch sehr lang. Durch die so zustande kommenden vielen Umwege und langen Fahrzeiten zwischen Start und Ziel wird die Busverbindung für die meisten Menschen noch unattraktiver.

Die Grafik zeigt eine Karte des Linienverlaufs der Buslinie 122 von Bergedorf in die Hamburger Innenstadt. Sie verläuft sehr indirekt und mit vielen Umwegen durch die Vier- und Marschlande.
Die Buslinie 122 des HVV. Ein Bus pro Stunde auf einem verschlungenen Linienweg durch die Vier- und Marschlande – keine attraktive Konkurrenz zum privaten PKW. Quelle: Moovit.de

Der ÖPNV ist hier also in einem Dilemma. Er kann in solchen Randlagen kein attraktives Angebot im Vergleich zum PKW darstellen, da ein so attraktives Angebot mit den herkömmlichen Mitteln des ÖPNV (also der Linienverkehr in einem dichten Takt in einer festen Haltestellenfolge und auf direktem Weg zwischen Start und Ziel) schlicht für so wenig Fahrgäste auf Dauer kaum finanzierbar ist.

Fahrten nach Bedarf als Problemlösung?

Deswegen experimentieren ÖPNV-Betriebe quer durch die Republik (und durch die Welt) seit einigen Jahren mit sogenannten On-Demand-Angeboten. Also ÖV-Angeboten auf Anfrage. Die gibt es schon seit einiger Zeit als klassische und „langweilige“ Rufbusse, Anruf-Sammeltaxis oder welcher Namen auch immer dem im Wesentlichen gleichen Kind gegeben wird. Im HVV wurden ähnliche Angebote in den letzten Jahren stärker weiterentwickelt, aufregender vermarktet und in die digitale Welt der Smartphones und Apps integriert. Hier ging ein solches Angebot zunächst unter dem Namen Ioki an den Start, mittlerweile wurde es in HVV Hop umbenannt.

Die Idee solcher Angebote ist simpel: Statt nach einem festen Fahrplan alle 60 Minuten feste Haltestellen auf einer festen Route anzufahren, ruft sich die ÖV-Kundschaft schlicht per App ein Fahrzeug und wird damit entweder direkt zum Ziel oder aber zum nächsten attraktiven ÖV-Angebot gebracht. Also zum Beispiel der nächsten S- oder U-Bahn-Station. Im Idealfall werden dabei von einem Algorithmus Fahrten gebündelt und entlang des Weges noch weitere Fahrgäste aufgesammelt, die auf ähnliche Weise ihren Fahrtwunsch geäußert haben. Das Ganze passiert auch nicht mehr in einem großen und teuren Linienbus, sondern in kleineren Fahrzeugen, seien es nun PKW oder Kleinbusse. Auf diese Art und Weise soll den in ländlichen Gegenden lebenden Menschen ein Angebot gemacht werden, mit dem sie besser auf das private Auto verzichten können. Das ist letztlich nichts anderes, als was Moia seit einigen Jahren in den zentraleren Gebieten der Stadt macht. Nur eben, dass die ÖV-Betreiber wie bei HVV Hop das nicht in der Innenstadt, sondern in den Randlagen anbieten.

Das Problem dabei: Selbst das ist bisher überhaupt nicht wirtschaftlich abbildbar. Denn auch hier sitzt meist nicht mehr als eine Person mit im kleinen Fahrzeug. Bei Ioki (mittlerweile HVV Hop) saßen einer Untersuchung aus dem Jahr 2019 zufolge lediglich 1,74 Personen pro Fahrt im Fahrzeug. Der Fahrer kostet den Betrieb aber auch nicht viel weniger, als es der Busfahrer täte. Bei HVV Hop (vormals Ioki) wird pro Fahrt ein Defizit von 15 € eingefahren. Mit 1,74 Personen liegt Ioki aber noch deutlich vor Moia, wo eine von Moia selbst beauftragte Studie lediglich 1,33 Fahrgäste je Fahrzeug ermittelte. Mehr dazu im anderen Teil dieses Beitrags.

Das ist auch der Grund, warum privatwirtschaftlich betriebene Angebote wie zum Beispiel Moia ihre Dienste eben nur in den dichten Innenstadtlagen anbieten (wo es eigentlich schon ein ziemlich gutes Angebot zur Nutzung des Umweltverbunds gibt). Nur in den dicht besiedelten Lagen wird erwartet, ausreichend Fahrgäste zu erreichen, um halbwegs profitabel zu sein.

Aber selbst hier gelingt das nicht. Auch Moia steckt nach Jahren des Betriebs immer noch in den roten Zahlen. Und, wichtig für die Bewertung der Sinnhaftigkeit dieser Angebote: Das eigentliche Ziel des Ride-Poolings, also das Bündeln mehrer Fahrgäste mit gleicher Fahrtrichtung, funktioniert bei Moia auch nicht. Im Durchschnitt sitzen in einem Moia nur 1,33 Fahrgäste, also noch weniger als bei Ioki. Damit unterscheiden sich diese Angebote nur unwesentlich vom durchschnittlichen Belegungsgrad eines privat genutzten PKW, der bei etwa 1,5 Personen pro Fahrzeug liegt (im Berufsverkehr sogar nur etwa 1,2).

Und es gibt weitere Gründe, warum man mit privatwirtschaftlichen Angeboten wie Moia vorsichtig sein sollte. Warum sie für die Verkehrswende meiner Meinung nach sogar sehr kontraproduktiv sein könnten, erläutere ich im anderen Teil dieses Beitrags

Hier zum anderen Teil des Beitrags: Warum Angebote wie Moia kein guter Partner für die Verkehrswende sind.

Um dieses Problem zu lösen, arbeiten ÖV-Betriebe weltweit seit einigen Jahren vermehrt an autonomen Lösungen, die ohne Fahrer auskommen. Das ist im ersten Schritt sehr teuer, weil die Entwicklung der autonomen Fahrzeuge zunächst sehr viel Geld kostet. Einmal fertig entwickelt und serienreif sparen sie aber langfristig Kosten durch das entfallende Fahrpersonal, so die Hoffnung.

Deswegen experimentiert beispielsweise auch die Hochbahn bereits seit einigen Jahren mit solchen autonomen Bussen. Eine langjährige Teststrecke gab es beispielsweise unter dem Namen HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation – Hamburger elektrische autonome Personenbeförderung) in der HafenCity, die medial recht intensiv begleitet wurde. Und auch die VHH hatten mit emoin in Bergedorf ein ähnliches Pilotprojekt. Der Holon Mover ist nun quasi die Weiterentwicklung dieser in den ersten Testphasen von der Hochbahn ausprobierten neuen Möglichkeiten und auch die VHH will ihr unter dem Namen „ahoi“ weiterentwickeltes Angebot in den kommenden Jahren auf die Straße bringen.

Diesen Grundgedanken der Automatisierung haben natürlich nicht nur die ÖV-Betreiber, sondern auch die Automobilindustrie. Hinter Moia beispielsweise steckt der VW-Konzern. Auch hier ist geplant, ab 2025 autonome Fahrten in Hamburg anzubieten, um das Problem der fehlenden Profitabilität zu lösen. Mit den ersten autonomen Testfahrten soll ab 2025 im Raum Winterhude begonnen werden. Ob der Zeithorizont realistisch ist, wird die Zeit zeigen.

Was wird am Holon Mover kritisiert?

Bisher haben die Projekte der VHH und der Hochbahn, wobei der Holon Mover meinem Empfinden nach deutlich bekannter ist, meiner Wahrnehmung nach noch keine überschwängliche Begeisterung ausgelöst (außer natürlich bei den ihn umsetzenden Akteuren wie der Hochbahn, des HVV etc.). Laut NDR ist die CDU Hamburg auch eher skeptisch gegenüber den Plänen des Verkehrssenators Anjes Tjarks für den Hamburger Stadtrand. Auch in sozialen Netzwerken wie z.B. LinkedIn sind häufig eher skeptische Äußerungen dem Holon Mover gegenüber in den Kommentaren zu finden. Und im persönlichen Gespräch mit anderen dem Verkehrssektor zugewandten Leuten höre ich auch immer wieder eher Ablehnung.

Die Kritikpunkte sind häufig ähnlich. Die Argumentation läuft oft nach etwa diesem Muster ab: Die Technik wäre noch nicht ausgereift, denn bereits seit Jahrzehnten wird uns autonomes Fahren in den kommenden fünf Jahren versprochen. Bisher hätten sich diese Versprechen nie bewahrheitet und immer noch müssen wir selbst hinter dem Steuer sitzen. Diese Gefahr wird auch beim Holon Mover gesehen, weil trotz vieler Marketingaktionen und großen Ankündigungen am Ende die Technik doch noch nicht so weit sei. Viel Lärm um nichts, sozusagen.

Dazu kommen die überaus ambitionierten Ziele der Stadt Hamburg. Bis zu 10.000 autonome Fahrzeuge sollen bis 2030 auf den Straßen unterwegs sein. Das ist in 7 Jahren. Bisher gibt es noch keine Testfahrten im Fahrgastbetrieb und das Fahrzeug ist eine völlige Neuentwicklung, eine Serienproduktion steht dafür wohl auch noch nicht. Für viele hört sich der Holon Mover daher scheinbar nach einem Luftschloss an, für das viele Steuergelder verschwendet werden.

Kommentare zum Holon Mover oder zu autonomen Fahren hören sich daher häufig in etwa so an:

„Wenn man nicht gewillt ist, Schienensysteme umfassend auszubauen (oder auch neuzubauen), kommen halt die verrücktesten Ideen, wie Seilbahnen, Spurbusse im Schellfischtunnel, Flugtaxen, Schnellkatamarane, oder eben sowas.“

„Bis jetzt kenne ich keinen autonomen Verkehr der flächendeckend ist. Selbst kleine Projekte wurden schon wieder beendet, ohne Folgeprojekt“
– Kommentare auf NahverkehrHamburg.de in Artikeln zu den autonomen Plänen der Stadt Hamburg

Die Leute haben sicher Recht, dass uns bereits seit Jahrzehnten autonomes Fahren versprochen wird. Dennoch denke ich, dass sich die Dinge mittlerweile geändert haben. Der technologische Fortschritt ist nicht aufzuhalten und ich denke, angesichts bereits heute mehrerer autonom fahrender Dienste in unterschiedlichen Regionen der Welt, kann man durchaus annehmen, dass die Technologie kurz vor dem Durchbruch und der Marktreife steht.

Einen guten Eindruck, wie weit die Technik mittlerweile ist, liefern zahllose Videos auf Plattformen wie Youtube, in denen Menschen völlig natürlich und problemlos solche Dienste nutzen.

Beispielvideo einer regulären Fahrgastfahrt in einem autonomen Taxi in Phoenix, USA
Ein weiteres Beispielvideo einer Fahrgastfahrt in einem autonomen Taxi in Shenzhen

Natürlich kann man als außenstehender schwer einschätzen, wie viel in diesen Videos Werbung und wie viel regulärer Alltagsbetrieb ist. Ich weiß auch nicht, wie realitätsnah oder wie geschönt diese Videos sind. Dennoch liefern sie meiner Meinung nach beeindruckenden Einblicke darin, wie weit diese Systeme mittlerweile sind. Nicht umsonst wurden sie in San Francisco kürzlich im alltäglichen Fahrgastbetrieb zugelassen. Natürlich gibt es noch Probleme, wie gerade San Francisco auch zeigt, wo beispielsweise kürzlich ein solches Taxi eine frische Betonfahrbahn nicht von einer fertigen Straße unterscheiden konnte oder auch öfter Probleme mit Einsatzfahrzeugen der Rettungsdienste auftreten. Auch schlechte Wetterverhältnissen (Schnee, nasse Fahrbahn mit starker Spiegelung etc.) stellen viele Fahrzeuge noch vor größere Probleme.

Aber der Punkt ist: Autonome Fahrzeuge im Alltag werden uns gar nicht mehr nur für die Zukunft versprochen. Sie sind in vielen Städten auf der Welt bereits da und funktionieren, natürlich mit Einschränkungen, in sehr vielen Situationen sehr gut. Anders als vor Jahrzehnten können wir an verschiedenen Orten der Welt bereits heute real existierende Angebote sehen, die im allgemeinen Straßenverkehr autonom und funktionierend Fahrgäste von A nach B befördern. Wir können uns dieser Entwicklung also gar nicht mehr verschließen. Solche Dienste werden sich weltweit ausbreiten.

Angesichts der bereits heute sichtbaren Erfolge in Sachen autonomen Fahren gibt es meiner Meinung nach keine Gründe mehr, ernsthaft daran zu zweifeln, dass die letzten verbliebenen technischen Schwierigkeiten in den kommenden Jahren gelöst werden. Was bleibt, sind regulatorische Hürden, die aber absehbar (vor allem angesichts der dahinterstehenden lobbystarken Automobilindustrie) ebenfalls fallen werden.

Gleichzeitig ging die Einführung der neuen Dienste in San Francisco nicht ohne Konflikte vonstatten. So hat sich die Stadt mitsamt ihrer Feuerwehr, Planungsbehörde und Nahverkehrsbetriebe gegen die Genehmigung positioniert. Da die Entscheidung allerdings auf Bundesstaatebene getroffen wurde, wurden die Einwände der Kommune in diesem Fall durch die übergeordnete Behörde auf kalifornischer Ebene nicht berücksichtigt und die Genehmigungen erteilt.

Und das bringt mich nun auch zum nächsten Punkt, warum ich die Strategie der Stadt Hamburg mit dem Holon Mover für richtig halte. Die Kontroverse in San Francisco deutet es bereits an: Die Interessen der Privatwirtschaft am autonomen Fahren gehen meiner Ansicht nach in eine deutlich andere und vermutlich für die Verkehrswende tendenziell kontraproduktive Richtung als die Interessen und Ziele der öffentlichen Hand. Gerade Hamburg zeigt das als Einsatzort von Moia recht gut. Eine ausführliche Erläuterung, warum wir bei privatwirtschaftlichen Angeboten wie Moia vorsichtig sein sollten, führe ich im anderen Teil dieses Beitrags aus. Ich denke auch, dass die hier gemachten Erfahrungen für deutsche Großstädte allgemeingültig sind.

Hier zum anderen Teil des Beitrags: Warum Angebote wie Moia kein guter Partner für die Verkehrswende sind.

Warum ich Angebote wie den Holon Mover für richtig halte

Wie oben erläutert schätze ich die Situation also so ein: Die technischen Probleme sind weitestgehend gelöst und es darf erwartet werden, dass regulatorische und juristische Hindernisse durch die Gesetzgeber weltweit in den kommenden Jahren aus dem Weg geräumt werden. Auch in Deutschland.

Somit stehen wir vor der Entscheidung, ob wir diese technische Entwicklung der Privatwirtschaft in Form von VW, Moia und Co. überlassen, mit all den Nachteilen die solche Angebote für unsere Städte bringen können. Oder ob wir die Chance nutzen wollen, die Möglichkeiten, die uns diese Technologie bringt, für eine Stärkung öffentlicher Verkehrssysteme und damit auch der Verkehrswende und lebenswerter Städte zu nutzen.

Der Holon Mover könnte genau das bieten. Er konzentriert sich anders als privatwirtschaftliche Angebote nicht auf Innenstadtlagen mit bereits guten Angeboten. Ganz im Gegenteil soll er an Orten oder zu Zeiten, an denen klassische ÖPNV-Angebote nicht gut funktionieren, Alternativen zum privaten PKW bieten und neue Fahrgäste in die übrigen bereits bestehenden Angebote des klassischen ÖPNV bringen. Er ist also, anders als beispielsweise Moia, kein konkurrierendes Parallelangebot, sondern eine zielgerichtete Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Angebots.

Somit soll er in den ländlichen Gebieten bisherige Autonutzer abholen (und ggf. den Nachtverkehr in den Innenstadtlagen ergänzen) und die Straßen in unseren Innenstädten vom Kfz-Verkehr entlasten. Ob die ambitionierten Ziele Hamburgs realistisch sind und ob das gelingt, kann ich nicht beurteilen. Dass man sich das aber zum Ziel setzt und es mit dem Holon Mover versucht, halte ich für richtig. Wenn das Angebot auf dem Land gut angenommen wird, könnte der Holon Mover unsere Innenstädte tatsächlich vom Pendlerverkehr aus dem Umland entlasten und somit zu lebenswerteren und klimawandelangepassteren Städten beitragen.

Es ist letztlich auch ein Versprechen an die Bevölkerung der ländlicheren Regionen, sich aus der Abhängigkeit vom Automobil befreien zu können. Denn viele Leute wollen ja gar nicht unbedingt Auto fahren, sondern haben schlicht keine andere Möglichkeit, weil andere Angebote an ihrem Wohnort nicht zu ihren Mobilitätsbedürfnissen und ihrer Lebenswirklichkeit passen. Sei es nun das Rad oder der klassische ÖPNV.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass sich die Leute mit ihrem Wegzug aus der Stadt aufs Land aus freien Stücken in die Autoabhängigkeit begeben haben. Es wird niemand gezwungen, sich ein Einfamilienhaus in den Vier- und Marschlanden zu kaufen und damit dann mit dem Auto nach Hamburg rein- und rauspendeln zu müssen. Das mag zwar sachlich richtig sein, hilft uns zur Bewerkstelligung der Verkehrswende aber auch nicht weiter.

Die Siedlungsstruktur in Deutschland ist nach Jahrzehnten fehlgeleiteter Raumplanung heute nun mal aufs Automobil ausgerichtet und es wurde auch von staatlicher Seite jahrzehntelang darauf hingearbeitet, dass sich die Leute im Einfamilienhaus in peripherer Lage abhängig vom Auto machen (Eigenheimzulage, Pendlerpauschale, Abwrackprämie, aufs Automobil ausgerichteter Ausbau der Infrastrukturen etc.).

Das können wir jetzt nicht mehr rückgängig machen, jedenfalls nicht in der für die Verkehrswende gegebenen Zeit. Wir müssen also den dort lebenden Menschen Angebote jenseits vom privaten PKW machen, die den restlichen ÖPNV stärken. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe könnten dieses Angebot mit Produkten wie dem Holon Mover möglicherweise abbilden.

Privatwirtschaftliche Angebote hingegen können aus einer Marktlogik heraus im Prinzip nur darauf abzielen, den Umweltverbund zu schwächen und werden die Auslastung des klassischen ÖPNV in der inneren Stadt eher verringern. Das tut Moia höchstwahrscheinlich in Hamburg meiner Meinung nach bereits heute, wie ich im anderen Teil dieses Beitrags näher erläutere. Beim Holon Mover hingegen wird die Technik für das Gegenteil eingesetzt, nämlich für eine bessere Auslastung der klassischen Angebote in der inneren Stadt und für bessere Angebote im ländlichen Raum.

Hier zum anderen Teil des Beitrags: Warum Angebote wie Moia kein guter Partner für die Verkehrswende sind.

Das heißt meiner Meinung nach: Wir dürfen den technologischen Fortschritt nicht der Privatwirtschaft überlassen, denn ihr Interesse liegt in hohen Absatzzahlen und vermehrter Autonutzung und nicht in einer für alle lebenswerteren und klimaangepassteren Stadt mit guter und inklusiver Mobilität für alle. Wollen wir die erreichen, gibt es schlicht nur eine Option: Den Umweltverbund stärken. Und Rückgrat des Umweltverbunds kann und sollte gerade auf längeren Strecken ein attraktives und leistungsfähiges ÖV-Angebot sein.

Und das bedeutet wiederum: Entweder die öffentliche Hand geht diese Entwicklung mit und baut Kompetenzen auf, um autonome Kleinbusse in die Strukturen des ÖV zu seiner Stärkung einzubinden, oder die Privatwirtschaft übernimmt das Feld und führt zu noch schlimmeren Verkehrsproblemen in unseren Städten.

Das autonome Fahren ist keine Lösung für unsere Probleme, wenn es nur zu einem Austausch von privaten PKW durch autonome PKW mit ähnlich hohem Belegungsgrad führt oder aber Nutzer vom flächeneffizienten ÖPNV in deutlich ineffizientere Kleinbusse führt. Das ist ein Irrweg, der Leute vom Umweltverbund in die autonomen Parallelangebote der Privatwirtschaft führen und ihr somit Profit bescheren soll. Bis wir dann in einigen Jahren erkennen, dass wir in unseren Städten schlicht nicht den Platz haben, um die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen auf solch ineffiziente Art abzuwickeln. Genauer führe ich das im verlinkten anderen Teil des Beitrags aus.

Während Angebote wie Moia also als Parallelangebot in Konkurrenz zum Umweltverbund treten, ist der Holon Mover eine gezielte Ergänzung zur Steigerung der Nutzung des ÖPNV insgesamt. Dadurch fördert er die Verkehrswende, während Angebote wie Moia sie schwächen. Das autonome Fahren kann nur eine Lösung für unsere Probleme im Verkehrssektor sein, wenn es in die klassischen Strukturen des ÖPNV eingebettet wird und den ÖPNV so ergänzt, dass es ihm zusätzliche Nutzer bringt, statt mit ihm in Konkurrenz zu treten. Also zu Zeiten oder in Gegenden, in denen der klassische ÖPNV kein gutes Angebot bieten kann. Das ist das, was die Hochbahn mit dem Holon Mover will. Und das scheint mir deutlich zukunftsträchtiger und sinnvoller für die weitere Entwicklung des Verkehrs und der Lebensqualität in unseren Städten zu sein.

In Kombination mit den bereits bestehenden ÖV-Angeboten kann so insbesondere im ländlichen Raum eine attraktive Alternative zur Nutzung des privaten PKW geboten werden, wovon die Verkehrswende insgesamt profitiert. Angebote wie der Holon Mover könnten so den öffentlichen Verkehr in die Lage bringen, ein ganzheitliches und überall funktionierendes Mobilitätsangebot jenseits des privaten Autos zu bieten. Darauf muss staatliches Handeln und Steuerung ausgerichtet sein. Die Stadt Hamburg schlägt daher meiner Meinung nach mit dem Holon Mover den richtigen Weg ein. Privatwirtschaftliche Parallelangebote in den inneren Lagen der Stadt sollten demgegenüber durch Regulierung vermieden werden. Warum, ist im zweiten Teil dieses Beitrags am Beispiel von Moia näher ausgeführt.

Hier zum anderen Teil des Beitrags: Warum Angebote wie Moia kein guter Partner für die Verkehrswende sind.

Über Meinungen und Rückmeldungen zu diesem Thema freue ich mich wie immer. Nutzen Sie dafür gerne das unter (mobil) oder rechts neben (Desktop) diesem Beitrag verlinkte Kontaktformular.

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