Die Förderung des Radverkehrs ist in aller Munde. Im Zuge des Ausbaus der Radinfrastruktur in deutschsprachigen Städten wird mittlerweile die geschützte Kreuzung (auch Schutzkreuzung genannt) nach niederländischem Vorbild gefordert. So zum Beispiel in Bonn, Darmstadt, Paderborn, Wien, Dortmund, Berlin, Nürnberg, oder auch in Hamburg. Um nur einige zu nennen, die nach einer kurzen Google-Suche zu finden waren. In vielen Städten gibt es Initiativen von lokalen Kleingruppen bis hin zum ADFC, die den Umbau von Kreuzungen nach diesem Vorbild zu einer geschützten Kreuzung fordern.
Man kann im Prinzip in der Radverkehrscommunity von einem starken Trend sprechen – die geschützte Kreuzung ist derzeit sehr populär. Interessengruppen überbieten sich fast schon in Forderungen nach ihr, so mein Eindruck. Verschiedenste Medien greifen diese Forderungen immer wieder auf, wodurch die geschützte Kreuzung eine gewisse Prominenz erreicht hat. Grund genug, sich einmal näher damit zu beschäftigen und zu schauen, ob das wirklich so eine gute Idee wäre.
Vorab: Ja, Radverkehrsanlagen in Deutschland müssen fahrradfreundlicher werden und für alle Menschen gut nutzbar sein. Im englischsprachigen Raum ist man meiner Meinung nach gut darin, sprachlich den Nagel auf den Kopf zu treffen und kurz und prägnante Begriffe zu nutzen. Daher möchte ich hier einmal die englischsprachige Bezeichnung bringen, da sie das Konzept sehr eingängig und verständlich macht. Dort spricht man von AAA- oder Triple-A Radverkehrsinfrastruktur. Die drei A stehen für all ages and abilities, also für jedes Alter und jedes Können. Und na klar, genau das muss auch der Anspruch an Radverkehrsplanung in Deutschland sein. Jeder muss sich dort sicher fühlen, egal ob 5-jähriges Kind oder 85-jährige Rentnerin. Das hat auch unser Verkehrsministerium mittlerweile so verstanden und orientiert sich in aktuellen Informationsmaterialen für Radverkehrsinfrastruktur an ähnlichen Grundsätzen.
Ich möchte in diesem Beitrag nicht missverstanden werden. Die geschützte Kreuzung ist auch meiner Meinung nach im Vergleich zu dem, was wir derzeit in Deutschland machen, nicht schlecht. Ich denke aber, angesichts der Tatsache, dass eine so umgebaute Kreuzung üblicherweise für die nächsten 20-30 Jahre Bestand hat, sollten wir genau drüber nachdenken, ob die geschützte Kreuzung mittel- bis langfristig wirklich die beste Lösung darstellt.
Meiner Meinung nach tut sie das nämlich nicht. Sie mag zwar Vorteile für die Sicherheit des Radverkehrs bringen. Bei anderen wichtigen Belangen der Verkehrswende und des zukunftsgerechten Stadtumbaus aber bringt sie kaum oder keine Vorteile.
Fangen wir also zunächst einmal mit einer Erklärung an. Was sind geschützte Kreuzungen und warum werden sie gerade so intensiv gefordert? Anschließend erkläre ich, was ich daran problematisch finde. Anstelle von geschützten Kreuzungen, die wir für die nächsten 20-30 Jahre in unseren Städten haben werden, sollten wir meiner Meinung nach viel stärker auf Kreisverkehre setzen. Sie sind meiner Meinung nach deutlich besser geeignet, um den Radverkehr für jedes Alter und jedes Können in den Städten zu fördern und tragen – anders als geschützte Kreuzungen – noch auf vielen anderen Ebenen zur Umsetzung der Verkehrswende in städtischen Räumen bei. Wie und warum, erkläre ich in diesem Beitrag.
Was ist die geschützte Kreuzung und warum ist sie derzeit so beliebt?
Die gefährlichsten und häufigsten Unfälle zwischen Rad- und Kfz-Verkehr entstehen beim Rechtsabbiegen in Kreuzungsbereichen. Und genau da setzt die geschützte Kreuzung an. Das ganze ist im Internet schon tausendfach erläutert, ich halte das hier daher kurz und verweise einfach auf die guten bereits bestehenden Erläuterungen, zum Beispiel vom Darmstadt fährt Rad. (Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war hier Radentscheid Darmstadt als Quelle angegeben – das war ein Fehler, den ich bitte zu entschuldigen).
Das Grundprinzip der geschützten Kreuzung oder Schutzkreuzung ist eine bauliche Trennung von Rad- und Kfz-Verkehr auch im Kreuzungsbereich und insbesondere beim Rechtsabbiegevorgang. Diese Trennung wird erreicht durch das Einsetzen von sogenannten Schutzinseln in den Ecken der Kreuzung, um die der Kfz-Verkehr beim Abbiegen in einem relativ engen Radius herumgeführt wird. Durch die Schutzinsel wird auch die Radfahrfurt deutlich nach Kreuzungsaußen und damit weiter entfernt vom durchgehenden Kfz-Verkehr abgerückt, so dass für das abbiegende Kfz eine Aufstell- bzw. Wartefläche entsteht, von der der Radverkehr aus in einem besseren Winkel eingesehen werden kann und gleichzeitig der nachfolgende Kfz-Verkehr weniger gestört wird.
Es gibt auch etliche Youtube-Videos, die das ganze eingängiger und anschaulicher erklären, als mein Text das tut. Das unten eingebette ist eins davon und sollte eigentlich ausreichen, um das Prinzip kurz und prägnant verständlich zu machen. Es basiert zwar auf US-amerikanischen Regelwerken, aber grundsätzlich ist das gut auf Deutschland übertragbar.
Warum ist die geschützte Kreuzung diskussionswürdig?
Nun, was ich daran problematisch finde, ist folgendes: Zwar mag die geschützte Kreuzung eine Verbesserung für die Sicherheit des Radverkehrs sein, aber für viele andere Belange meiner Meinung nach leider nicht.
Schauen wir uns so eine geschützte Kreuzung mal an, wie sie sich von Fahrradinteressengruppen vorgestellt wird:
Ich beziehe mich im weiteren beispielhaft auf diese Konzeptskizze, weil sie so und in ähnlicher Form wiederholt auf Webseiten verschiedener Interessengruppen und Medienartikel zur Thematik zu finden sind und sie somit das Grundprinzip veranschaulicht, wie es sich von Interessensverbänden vorgestellt wird.
Ich finde, das Grundproblem wird bereits auf den ersten Blick sehr deutlich: Statt die Kreuzung sicherer zu machen, indem man den Kfz-Verkehr einhegt und beruhigt, wird an der grundsätzlichen Flächenaufteilung und der Organisation des Kfz-Verkehrs nicht gerüttelt. Und daraus folgen eine ganze Reihe weiterer negativer Aspekte. Die geschützte Kreuzung bleibt ein Kfz-dominierter Raum, der die Dominanz des Autos im Wesentlichen fortschreibt. Auch im Knotenzulauf sind etliche Aufweitungen für die vielen Fahr- und Abbiegestreifen nötig. Das ist meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht problematisch oder zumindest diskussionswürdig.
Fahrdynamik des Radverkehrs vs. Fahrdynamik des Kfz-Verkehrs
Beispielsweise bleibt das Linksabbiegen des Radverkehrs aller Voraussicht nach deutlich zeitaufwendiger, als für den linksabbiegenden Kfz-Verkehr. Denn der Radfahrende muss im Zweifel auf Grün warten, um auf die andere Straßenseite zu kommen, und dann dort noch einmal auf die kommende Grünphase für den Querverkehr warten. Der Kfz-Fahrende hingegen hat auf seinem Linksabbiegestreifen in der Regel eine gesonderte Linksabbiegephase und kann direkt abbiegen. Das ist zwar nicht zwingend so, aber die gelebte Praxis.
Und während beispielsweise der Kfz-Verkehr bei Grün wie gehabt mit unverminderter Geschwindigkeit gerade durchrauschen kann und der Linksabbiegestreifen wahrscheinlich eine extra Phase in der Ampelschaltung hat, muss der Radverkehr und insbesondere mehrspurige Lastenräder in der geschützten Kreuzung nun die Geschwindigkeit reduzieren und langsam und im Zickzack um die Kurven radeln, nur um einfach geradeaus die Kreuzung passieren zu können.
Wie sieht es also beim Radverkehr im Vergleich zu einer heutigen Kreuzung aus?
Beim Geradeausfahren – abbremsen und im Zickzackkurs zwei mal um die Schutzinseln fahren.
Beim Linksabbiegen – genau wie heute bleibt das indirekte Linksabbiegen bestehen, wofür mindestens 2 Ampelphasen nötig sind. Hat der Kfz-Linksabbiegestreifen eine gesonderte Phase, verlängert sich die Wartezeit zusätzlich. Auch hier abbremsen und Zickzackfahren um die Schutzinseln, aber sogar drei mal.
Rechtsabbiegen – hier gibt es eine Verbesserung, da grundsätzlich freies Rechtsabbiegen ohne Warten ermöglicht wird. Das ist aber auch bei vielen heutigen Kreuzungen bereits möglich und daher nur bedingt eine starke Verbesserung im Vergleich zum Status Quo.
Darmstadt fährt Rad entgegnet diesem Nachteil des Zickzackfahrens für den Radverkehr folgendermaßen:
An Kreuzungen jedoch, wo ein Großteil der Radfahrenden verunglückt, macht es Sinn, dass alle Verkehrsteilnehmer etwas langsamer unterwegs sind.
Aber ist es denn wirklich so, dass alle Verkehrsteilnehmer etwas langsamer unterwegs sind, auch der gefährliche Kfz-Verkehr, der in der überwiegenden Mehrheit schwerer Unfälle in Knotenpunkten entweder alleiniger oder Hauptverursacher ist? Ich sehe beim Blick auf die Konzeptskizze der Schutzkreuzung nicht, dass sich für den Kfz-Verkehr im Vergleich zu einer heutigen Kreuzung etwas Wesentliches ändert.
Was ändert sich denn anhand der Knotengeometrie für den Kfz-Verkehr im Vergleich zu einer heutigen Kreuzung, wodurch alle Verkehrsteilnehmer – also auch der Kfz-Verkehr – langsamer als im Vergleich zu heute unterwegs wären?
Beim Geradausfahren – nichts, es kann wie heute einfach gerade durchgefahren werden.
Beim Linksabbiegen – nichts, es kann wie heute einfach direkt in großem Radius links abgebogen werden.
Beim Rechtsabbiegen – gut, hier sind in der Konzeptskizze die Radien etwas enger gezeichnet als bei heute vergleichbaren real existierenden Kreuzungen. Die real existierenden Kreuzungen müssen aber i.d.R. auch die Schleppkurven für den rechtsabbiegenden Schwerverkehr gewährleisten, und die sind meist maßgeblich für die Geometrie der Rechtskurve. Ich will damit nicht sagen, dass das gut ist, aber setzt man diesen Maßstab auch an die Konzeptskizze der Schutzkreuzung an (den sie so wie sie dort visualisiert ist sicher nicht erfüllt), landen wir auch beim Rechtsabbieger bei in etwa denselben Kurvengeometrien wie heute. Also auch keine bzw. kaum Änderung zum Status Quo.
Alle Kfz-Fahrtrichtungen haben also weiterhin ihren eigenen Fahrstreifen und bei keiner ist eine wesentliche Änderung oder sich aus der Knotengeometrie bedingende nötige Geschwindigkeitsreduzierung erkennbar. Die Kreuzung bleibt im Prinzip genauso autogerecht wie sie vorher war.
Mein Fazit: Zwar wird also die Sicherheit für den Radverkehr erhöht, aber nicht durch Einhegung des Kfz-Verkehrs – nein, überwiegend durch Einhegung und Verlangsamung des Radverkehrs, für den sich beim Passieren der Kreuzung die Fahrdynamik deutlich verschlechtert. Das ist für mich weder fahrradgerecht noch verkehrswendegerecht, sondern schlicht eine Fortführung von autogerecht. Schlechtere Fahrdynamik für den Radverkehr, keine Nachteile für den Kfz-Verkehr. Im Wesentlichen bleibt bei der Schutzkreuzung alles, wie es ist.
Was passiert mit den Fußgängern?
Dazu kommt das erhöhte Konfliktpotential zwischen Fußverkehr und Radverkehr. So wie ich die Entwürfe sehe, wird der Konflikt zwischen Kfz- und Radverkehr schlicht auf Rad- und Fußverkehr verschoben. Das ist natürlich deutlich sicherer, aber entspricht nicht unbedingt dem, was ich mir unter der Stärkung des Umweltverbunds vorstelle. Während sich wie oben beschrieben für den Kfz-Verkehr im Wesentlichen nichts ändert, wird es für den Fußverkehr der Konzeptzeichnung zufolge ziemlich eng. Auch reicht nun nicht mehr eine Mittelinsel zur Querung der Fahrbahnen, sondern es müssen zusätzlich noch die häufig viel zu kleinen Inseln zwischen Radweg und Fahrbahn genutzt werden.
Denn für ausreichend breite Fußgängerinseln und Gehwege ist bei so vielen Kfz-Fahrstreifen oft kein Platz mehr, und der Kfz-Verkehr muss ja bei der Schutzkreuzung im Prinzip keinen Raum abgeben, um daran etwas zu ändern. Auch in der oben gezeigten Konzeptskizze ist für den Fußverkehr, insbesondere in den Ecken, nur noch ein schmaler Gehweg ersichtlich, der eng zwischen Häuserkante und Radweg gedrängt ist.
Je nachdem, wie stark das Rad- und Fußverkehrsaufkommen ist und wie rücksichtsvoll sich verhalten wird, kann das durchaus ein Problem sein. Bereits heute herrscht häufig ein latent aggressives Verhältnis zwischen Fuß- und Radverkehr, eben weil sie sich den vom Kfz-Verkehr übriggebliebenen wenigen Rest Platz in engen Verhältnissen teilen müssen. Ich glaube, die geschützte Kreuzung könnte das verstärken, zumindest in dicht bebauten Innenstadtlagen. Das sehe nicht nur ich so, sondern auch andere Interessensverbände, die nicht nur den Radverkehr im Blick haben. Und auch in den Niederlanden mehren sich die Stimmen, die den Fußverkehr durch die Radverkehrsmaßnahmen an den Rand gedrängt sehen.
Hitze- und wassersensibler Stadtumbau – grün-blaue Infrastruktur
Darüber hinaus: Nach wie vor bleibt die Kreuzung eine vollversiegelte Asphalt- und Betonfläche, die für starken Hitzestau sorgt und den Zielen des hitze- und wassersensiblen Stadtumbaus regelrecht entgegenläuft. Nahezu die gesamte Kreuzungsfläche ist für den Kfz-Verkehr vorgehalten und asphaltiert. Das ist für den zukunftsgerechten Umbau unserer Städte angesichts der dringend nötigen Flächenentsiegelung problematisch. Die Effekte des Klimawandels mit zunehmenden Starkregenereignissen und Hitzewellen erfordern in dieser Hinsicht ein Umdenken. Wir brauchen mehr entsiegelte Flächen zur Regenwasserrückhaltung und die sich weniger stark aufheizen als Asphalt und Beton.
Subjektive vs. objektive Sicherheit – woher weiß man, dass die Schutzkreuzung wirklich besser ist?
Es wird von Radverbänden immer wieder behauptet, dass die Sicherheit bei geschützten Kreuzungen deutlich höher sei als bei zeitgenössischen Kreuzungen mit Radfahrstreifen. Nun muss man hier unterscheiden zwischen der objektiven Sicherheit und der subjektiven Sicherheit. Die objektive Sicherheit beschreibt den messbaren Einfluss der Schutzkreuzung auf die Unfallzahlen und die Anzahl von Toten und (Schwer)Verletzten, während die subjektive Sicherheit die gefühlte Sicherheit der Nutzenden der Kreuzung beschreibt.
Was die subjektive Sicherheit angeht kann ich die Argumente der Schutzkreuzung klar nachvollziehen, keine Frage. Hätte ich die Wahl, mit meinen Kindern (aber auch allein) eine konventionelle deutsche Kreuzung mit Radfahrstreifen zu befahren, am schlimmsten Fall noch mit Radfahrstreifen in Mittellage (sogenannten „Todesweichen“) oder aber eine Schutzkreuzung, würde ich mich immer klar für die Schutzkreuzung entscheiden. Es gibt Untersuchungen, die dafür sprechen, dass das nicht nur mir so geht, sondern dem Großteil der am Radfahren interessierten Menschen in Deutschland. Und da wir ja wie eingangs angesprochen den Anspruch haben, möglichst alle Zielgruppen vom Radfahren in den Städten zu überzeugen, geht dieser Punkt ganz klar an die Schutzkreuzung.
Was die objektive Sicherheit angeht, gehen die Meinungen aber auseinander und es gibt hier andauernde Diskussionen. Ich will mich bei dieser Debatte um die objektive Sicherheit auf gar keine Seite schlagen, denn meiner Meinung nach ist die Sachlage schlicht so: Wir haben in Deutschland keine zeitgemäßen geschützten Kreuzungen und damit auch schlicht keine Datenbasis, auf der wir diese Frage belastbar beantworten können. Verweise auf die Niederlande sind methodisch ebenfalls fragwürdig, weil bei diesen Statistiken die Knotenpunktgeometrie nur eine von unzähligen Variablen ist, die sich auf die Unfallzahlen und deren Schwere auswirken.
Was ich damit meine: Wie ist generell die Mobilitätskultur und der Stellenwert des Autos und wie zurückhaltend verhalten sich Autofahrer in den Niederlanden in Kreuzungssituationen und wie deutsche? Verkehr ist eben im Ausgangspunkt ein soziales Phänomen und mehr als nur die gebaute Struktur der Kreuzung. Man kann durchaus argumentieren, dass es ein Unterschied macht, wie teuer Fehlverhalten im Auto sanktioniert wird und wie wahrscheinlich es ist, dass man überhaupt erwischt wird. Es ist kein Geheimnis, dass Vergehen im Straßenverkehr in Deutschland im europäischen Vergleich sehr wenig kosten und ohnehin kaum sanktioniert werden. Ich rede dabei nicht nur von Geschwindigkeitsverstößen. Welcher sichtbehindernde Falschparker muss in Deutschland ein Knöllchen fürchten? Welches geparkte Kfz, das den Geh- oder Radweg unbenutzbar macht, wird hier tatsächlich mal abgeschleppt? Ist es billiger, für das Parken ein Tagesticket zu ziehen, oder einfach falsch zu parken und das Bußgeld zu zahlen? Solche Dinge erziehen Verkehrsteilnehmer und prägen die Kfz-Kultur. Und man mag annehmen, dass das angesichts höherer Strafen und einem anderen Umgang damit in den Niederlanden deutlich stärker passiert als in Deutschland, und daraus könnte sich natürlich auch eine andere Mentalität oder Anspruchshaltung des Kfz-Verkehrs in den Niederlanden ergeben.
Aber diese „weichen“ Aspekte sind ja noch nicht alles: Wie viele Leute tragen auf dem Rad Helme in Deutschland und den Niederlanden? Wie hoch ist der Anteil junger, körperlich fitter Männer und Frauen am Radverkehr und wie hoch demgegenüber der Anteil von schwächeren und körperlich weniger widerstandsfähigen Kindern und älteren Menschen, die aktiv Rad fahren? Allein bei diesen beiden Punkten gibt es signifikante Unterschiede zwischen dem Radverkehr in Deutschland und den Niederlanden, die starke Auswirkungen auf Unfallstatistiken haben. Kurzum: Der Blick auf die nackten Zahlen der Unfallstatistiken beider Länder lässt nur sehr begrenzt Rückschlüsse zu und steht methodisch meiner Ansicht nach auf ziemlich wackeligen Füßen.
Es wird also von den Befürwortern immer behauptet, die Schutzkreuzung sei so viel sicherer. Für die subjektive Sicherheit halte ich das für sehr plausibel. Auf welcher belastbaren Grundlage kann man das aber über die objektive Sicherheit überhaupt sagen? Meiner Meinung nach im Prinzip auf gar keiner. Und dafür, dass die geschützte Kreuzung so prominent und beliebt ist, ist das dann doch etwas dürftig. Um die objektive Sicherheit zu erhöhen wird von Radverbänden oft auch eine noch komplexere Ampelschaltung ins Spiel gebracht, die konfliktfrei abläuft und Rad- und Kfz-Verkehr getrennt voneinander schaltet und so die Konfliktpunkte eliminiert. Beispielsweise so, dass der rechtsabbiegende Kfz-Verkehr und der geradeausfahrende Radverkehr nie gemeinsam Grün haben. Aber das ist dann ja kein Vorteil, der sich aus der besonderen Gestalt der Schutzkreuzung ergibt, sondern abhängig von der Ampelschaltung und damit auch bei heute existierenden Kreuzungen zu haben. Das führt mich direkt zum letzten Punkt.
Notwendigkeit einer Ampelanlage – teuer und nachteilig für den Umweltverbund
Es ist darüber hinaus auch nach wie vor eine aufwendige und teure Ampelschaltung nötig (von der man unterstellen darf, dass sie nach geltenden Regelwerken vor allem den Kfz-Verkehr gut durchschleusen soll, auch wenn die E-Klima der FGSV Änderungen erhoffen lässt). Wie gesagt wird teils sogar gefordert, die Ampelschaltungen noch komplexer zur Erhöhung der objektiven Sicherheit umzuplanen. Dadurch kommt es für alle Verkehrsteilnehmer zu langen Wartezeiten (das Problem des radfahrenden Linksabbiegers habe ich oben schon erwähnt) und oft kommt der Umweltverbund zu kurz. Auch die Bevorrechtigung des ÖPNV ist schwieriger, je komplexer die Schaltung wird. Dazu kommt: Je komplexer die Ampelschaltung, desto teurer ist sie auch in Bau und Betrieb. Das ist für die Kommunen ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor und Geld, das an anderer und sinnvollerer Stelle fehlen kann. Die Stadt Hamburg beispielsweise hat bereits im Jahr 2015 gut 18 Millionen Euro jährlich allein für den Betrieb (Strom, Fehlerbehebung, Wartung, Programmänderungen etc.) ihrer Ampelanlagen aufwenden müssen.
Die Schutzkreuzung schreibt die autogerechte Stadt fort und verbaut den zukunftsorientierten Stadtumbau
Ich halte daher die Schutzkreuzung flächendeckend als Standardlösung für einen Schritt in die falsche Richtung und für überbewertet. Für mich wirkt sie wie (in der Verkehrsplanung leider allzu häufiges) Overengineering, um die Privilegien des Autos nicht anzutasten. Die Kreuzung wird durch noch komplexere bauliche und verkehrstechnische Trennung von Rad- und Kfz-Verkehr sicherer gemacht. Teilweise werden sogar noch komplexere Ampelschaltungen gefordert, um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer weiter zu erhöhen. Der Raum wird aber im Prinzip nahezu ausschließlich als Verkehrsraum des Kfz-Verkehrs verstanden und lediglich breitere Radwege und Schutzinseln ergänzt. Es verwundert mich daher wirklich, warum sie bei den Radverkehrsverbänden so beliebt ist, denn sie setzt meiner Meinung nach die falschen Prioritäten.
Für all jene, die diese offenen Fragen und Kritikpunkte nicht von meinen Zweifeln an der geschützten Kreuzung zu überzeugen vermögen, möchte ich es nochmal mit einer anderen Herangehensweise der Argumentation probieren: Ich denke es ist unstrittig, dass uns in der Verkehrsplanung nur eine begrenzte Menge an Fläche zur Verfügung steht. Die Straße ist nunmal nur so breit, wie sie breit ist, zusätzliche Flächen für die unterschiedlichen Nutzungen einer Straße können wir uns nicht einfach aus den Rippen schnitzen. Das ist eine Binsensweisheit, der wohl niemand ernsthaft widersprechen würde.
Das führt aber zu einer anderen Binsenweisheit, der man ehrlicherweise ins Auge blicken muss: Wollen wir den Herausforderungen für die Zukunft unserer Städte ernsthaft begegnen und die Bedingungen für den Umweltverbund und den zukunftsgerechten Stadtumbau verbessern, geht das eben im Wesentlichen nur durch Umverteilung der bestehenden Flächen. Alles andere wäre Augenwischerei. Verbesserungen für eine oder mehrere Nutzung des Straßenraums können prinzipbedingt nur umgesetzt werden, in dem andere Nutzungen verschlechtert werden. Und das bedeutet halt bei Verkehrsräumen, bei denen Platz die begrenzte Resource ist: Flächen für den Umweltverbund und den zukunftsgerechten Stadtumbau können im Wesentlichen nur generiert werden, in dem Flächen für den Kfz-Verkehr umgenutzt werden.
Die Schutzkreuzung aber verteilt nahezu keine Flächen um (siehe dazu auch die Flächenbilanz weiter unten im letzten Abschnitt – hier klicken, um zur Flächenbilanz zu springen). Sie bleibt, wie man den Visualisierungen leicht entnehmen kann sowohl mit ihren vielen Fahrstreifenaufweitungen im Knotenzulauf als auch mit ihrer vollversiegelten Kreuzungsfläche eine Kfz-dominierte Kreuzung. Allein aus dieser meiner Meinung nach auf jeder Visualisierung auf den ersten Blick ersichtlichen Tatsache heraus ergibt sich bereits, dass die Verbesserungen für die anderen Belange nicht sonderlich groß sein können.
Woher sollen die Verbesserungen für die Verkehrswende und den hitze- und wassersensiblen Stadtumbau denn kommen, wenn der größte Posten der Flächenbilanz der geschützten Kreuzung weitestgehend unverändert der Kfz-Verkehr bleibt? Die Erwartungen, die an sie geknüpft werden, sollten dementsprechend zumindest mal stärker hinterfragt und überlegt werden, ob es nicht zukunftsträchtigere Knotenpunktlösungen gibt.
Ja, auch ich würde die Schutzkreuzung einer konventionellen Kreuzung mit streng durchgezogenen Radfahrstreifen und im Zweifel noch Radfahrstreifen in Mittellage bevorzugen. Die geschützte Kreuzung erhöht die subjektive Sicherheit des Radverkehrs und ist daher im Vergleich dazu deutlich besser in der Lage, mehr Menschen vom Rad zu überzeugen. Das ist ein auch für mich nachvollziehbarer Vorteil der Schutzkreuzung, der allein im Vergleich zu unseren heutigen Kreuzungen viel Wert ist.
Aber abgesehen davon, bringt sie meiner Meinung nach für die weiteren Belange der Verkehrswende und des hitze- und wassersensiblen Stadtumbaus keine Vorteile, sondern zementiert stattdessen die Nachteile des Status Quos für weitere Jahrzehnte. Wir haben aber eine Knotenpunkttypologie, die der Schutzkreuzung in nahezu allen Belangen (außer der maximalen Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs) mindestens ebenbürtig und in vielen Belangen überlegen ist: Den kleinen Kreisverkehr. Nach einem kurzen Exkurs in die Vergangenheit werde ich auf den Kreisverkehr im Vergleich zur geschützten Kreuzung im letzten Kapitel detaillierter eingehen. Wen das nicht interessiert und lieber direkt zu den Argumenten für den Kreisverkehr kommen möchte, klickt einfach hier um nach unten zu springen.
Warum die geschützte Kreuzung ein Fehler ist: Ein Schritt in die Vergangenheit, um in die Zukunft zu kommen
Übrigens: Interessanterweise entsprechen viele unserer alten Kreuzungen in Deutschland dem Grundmuster der Schutzkreuzung. Das ergibt sich im Kreuzungsbereich nämlich fast automatisch, wenn der Radweg baulich getrennt zum Kfz-Verkehr geführt wird, was früher ja die übliche Lösung war. Dann kam der Gedanke auf, den Radverkehr auf der Fahrbahn in Form von Radfahrstreifen zu führen – paradoxerweise auch aus Sicherheitsgründen und gefordert unter anderem von Radverbänden, die heute wieder baulich getrennte Radwege fordern.
Seitdem sind viele Kreuzungen umgebaut worden, und diese alte Kreuzungsgestaltung, die im Wesentlichen der Schutzkreuzung entsprach, ist weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden. Wenn man ein bisschen sucht, findet man aber noch solche Kreuzungen. Natürlich nicht mit so breiten Radwegen wie in den Niederlanden oder der Konzeptzeichnung, und auch mit kleineren Schutzinseln, aber das Grundprinzip ist deutlich ablesbar identisch.
Die „niederländische geschützte Kreuzung“ ist also überhaupt keine spezifisch niederländische geschützte Kreuzung, sondern war auch in Deutschland jahrzehntelang gebaute Praxis – wenn auch mit schlechteren Radverkehrsanlagen. Mit dieser Meinung stehe ich übrigens auch nicht allein dar, das sehen auch Befürworter der Schutzkreuzung wie beispielsweise „Darmstadt fährt Rad“ so.
Schauen wir uns dafür ein paar Beispiele an:
Das sind also deutsche „geschützte Kreuzungen“, wie sie vor 20-30 Jahren im Stadtbild üblich waren, bevor die baulich abgesetzten Radwege abgerissen und auf Radfahrstreifen gesetzt wurden. Bei diesen Beispielen wird anhand der Luftbilder die Ähnlichkeit mit dem Grundkonzept der Schutzkreuzung meiner Ansicht nach sehr deutlich. Klar ist natürlich aber auch, dass die Radwege in einem äußert desolaten Zustand sind, was bei einer neuen geschützte Kreuzung natürlich nicht der Fall wäre, dazu kann von einer heute als angemessenen Breite der Radwege von mindestens 2,3 m ausgegangen werden. Also etwa doppelt so breit wie das, was heute häufig dort noch liegt.
Kurioserweise geschah dieser Umbau zu den Radfahrstreifen in den letzten 10 Jahren teils mit Unterstützung und auf Antrieb derselben Radverbände, die jetzt aus ähnlichen Gründen wie damals die geschützte Kreuzung fordern – nämlich der angeblich besseren Sicherheit. Der Radverkehr sollte ganz bewusst nicht mehr getrennt von der Fahrbahn, sondern auf ihr geführt werden.
Meiner Meinung nach geschah das auf Grundlage einer fatal falschen Problemanalyse. Schwere Rechtsabbiegeunfälle geschehen in der Regel, weil der Radverkehr beim Rechtsabbiegen schlicht übersehen wird. Durch die Nutzung von Radfahrstreifen sollte der Radverkehr für den Kfz-Verkehr sichtbarer werden und somit beim Rechtsabbiegen weniger übersehen werden.
Man war der Meinung, die baulich getrennten Radwege sind die Ursache für die schlechte Sichtbarkeit des Radverkehrs. Aber meiner Meinung nach hat man hier im Prinzip eine Lösung gefunden, die völlig an der Problemursache vorbeigeht. Denn der Grund, warum der Radverkehr auf den baulich getrennten Radwegen nicht gut einsehbar war, war natürlich nicht der baulich getrennte Radweg als solcher.
Das Problem war vielmehr, dass er häufig hinter schlecht gepflegten Grünanlagen (zugewucherte Hecken etc.) oder aber – was vermutlich deutlich häufiger der Fall war – hinter reihenweise parkenden Autos, die bis kurz vor Beginn der Kreuzungen stehen, „versteckt“ wurde. Es gab schlicht häufig keine Sichtbeziehung zwischen Radweg und Fahrbahn.
Statt die Problemursache, die Sichthindernisse zwischen Kfz-Fahrbahn und Radweg, zu entfernen, hat man sich schlicht dazu entschieden, den Radverkehr zwischen fließenden Kfz-Verkehr und parkenden Autos auf die Fahrbahn zu bringen und überall Radfahrstreifen anzulegen. Ob das die Sicherheit für den Radverkehr erhöht hat, darf angesichts der vielen Dooring-Unfälle und weiterhin Schwerverletzten und Toten bei Rechtsabbiegeunfällen der vergangenen Jahre stark bezweifelt werden.
Dazu kommt natürlich, dass die nun gebaute Radinfrastruktur nicht nur kaum einen Sicherheitsvorteil gebracht hat, gleichzeitig aber viele Bevölkerungsgruppen aus Angst davon abhält, Rad zu fahren (siehe Einleitung – all ages and abilities). Es mag halt nicht jeder auf zwei schmalen Metern zwischen parkenden Autos und LKW fahren. Man könnte jetzt polemisch sagen: Aber da die Alternative ja die Entfernung von Parkplätzen gewesen wäre, hat man davon natürlich die Finger gelassen.
Das Ganze ist für Hamburg beispielsweise in diesem sehenswerten Beitrag des NDR gut dokumentiert. Alte Radwege mit baulicher Trennung wurden abgerissen und als Radfahrstreifen auf die Straße verlegt, unter Regie der vom ADFC kommenden Radverkehrskoordinatorin. Heute soll es wieder umgekehrt gehen, weil mittlerweile erkannt wurde, dass das eine schlechte Idee war. Aber immer noch unter der Regie derselben Person. Die Akteure sind also im Prinzip die selben, die Gründe auch. (Video startet ab Minute 09:03, bis etwa Minute 14:00).
Hinweis: Leider ist das Video, das ursprünglich an dieser Stelle stand, mittlerweile nicht mehr auf Youtube verfügbar. Es zeigte einen Beitrag vom NDR zum Thema.
Was ich etwas problematisch finde: Ich fürchte, die Geschichte wiederholt sich hier ein bisschen. So wie ich das sehe, gehen wir im Prinzip mit der Schutzkreuzung einen Schritt zurück, verkaufen das aber als einen Schritt nach vorne, ähnlich wie es mit den Radfahrstreifen geschah.
Im Prinzip ist die geschützte Kreuzung, die jetzt so viel gefordert wird, nämlich nicht mehr als das, was wir vor 30 Jahren fast überall hatten, nur mit breiteren Radwegen und größeren Schutzinseln. Wir haben aber meiner Meinung nach eine Knotenpunkttypologie, die der Schutzkreuzung in allen für die Zukunft relevanten Belangen mindestens gleichwertig und in vielen sogar überlegen ist – nämlich den kleinen Kreisverkehr. Die geschützte Kreuzung ist im Vergleich dazu auch mit breiteren Radwegen nicht die beste Lösung für den Radverkehr, und für die Verkehrswende insgesamt und den zukunftsgerechten Stadtumbau schon gar nicht.
Es wäre doch wirklich ärgerlich, wenn wir uns in 10 Jahren – ähnlich wie jetzt bei den vielen neu gebauten Radfahrstreifen – wieder darüber ärgern, dass die vielen geschützten Kreuzungen, die wir dann gebaut haben, eigentlich gar nicht wirklich so zukunftsträchtig waren und uns eigentlich angesichts der Herausforderungen, die wir im nachhaltigen Stadtumbau haben, langfristig sogar ziemlich viele Nachteile bringen.
So wie ich das sehe, und so sehen meiner Meinung nach auch so ziemlich alle Visualisierungen dazu aus, bleibt die geschützte Kreuzung nach wie vor eine massiv auf das Auto ausgerichtete Lösung mit etlichen Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr und einer vollversiegelten Verkehrsfläche, die zwar die Sicherheit für den Radverkehr verbessern kann, dafür aber die Fahrdynamik verschlechtert und ansonsten keine Verbesserungen für andere Belange bringt. Der Stadtraum erfüllt keine andere Funktion außer einer Verkehrsfunktion, und die ist auch noch vor allem auf möglichst geringe Beeinträchtigungen für den Kfz-Verkehr ausgerichtet. Ist das wirklich das, was wir für die Zukunft fordern wollen? Muss das im Jahr 2023 wirklich noch sein?
Warum wir statt geschützten Kreuzungen lieber Kreisverkehre fordern sollten
Nun, weil wir uns in der Verkehrsplanung eben nicht an autogerechten Kreuzungsgestaltungen der Vergangenheit orientieren sollten, sondern an dem, was wir in der Zukunft erreichen wollen. Statt einen Schritt zurück zu gehen und so zu tun, als wäre das ein Schritt nach vorn, sollten wir besser einen echten Schritt nach vorn fordern.
Und das sind keine ampelgeregelten Großkreuzungen, über die der Kfz-Verkehr mit unverminderter Geschwindigkeit rauschen kann, während sich alle anderen Verkehrsteilnehmer der Ampelschaltung und damit in der Regel dem Kfz-Verkehr unterordnen zu haben und die sich dazu im Sommer höllisch aufheizen und bei Starkregen überschwemmen,
Wir sollten schauen, dass wir Knotenpunkte für die Stadt von morgen planen. Geringere Geschwindigkeiten des Kfz-Verkehrs. Durchlässiger für den Umweltverbund. Insgesamt müssen wir den Verkehr in unseren Städten so organisieren, dass wir weniger Ampeln brauchen. Und falls doch, dann wenigstens welche mit weniger komplexen Schaltungen.
Und das tun wir, in dem wir weniger Ampelkreuzungen, sondern stattdessen viel mehr Kreisverkehre planen. Die Forderung von den Radverbänden müsste lauten: Überall dort, wo die Platzverhältnisse und die städtebaulichen Gegebenheiten es zulassen, sollte im Sinne der Verkehrswende ein Kreisverkehr mit durchgehender Bevorrechtigung von Rad- und Fußverkehr gebaut werden. Nur dort, wo das nicht möglich ist, sollte auf die geschützte Kreuzung zurückgegriffen werden.
Gute Radverkehrsplanung heißt meiner Meinung nach nämlich nicht nur gute Radwege, sondern muss im ersten Schritt mit einem guten Konzept und einer ganzheitlichen Strategie für den Umgang mit dem Kfz-Verkehr beginnen. Die geschützte Kreuzung scheint mir in dieser Hinsicht überhaupt keine Veränderung zu bringen, sondern die Geschichte der Dominanz des Kfz-Verkehrs schlicht fortzuschreiben und nur breitere Radwege und Schutzinseln für den Radverkehr zu ergänzen. Der Kreisverkehr hingegen hegt den Kfz-Verkehr ein und kann baulich den Umweltverbund konsequent bevorrechtigen, ganz ohne teuren Betrieb einer Ampelanlage.
Ich möchte hier kurz visualisieren, was ich damit meine, und was meiner Ansicht nach die großen Vorteile von mehr Kreisverkehren wären. Das ganze eignet sich natürlich auch für die Nutzung durch den ÖPNV, in dem man die Mittelinsel durchfahrbar macht. Entweder für den Bus oder natürlich auch für die Straßenbahn. Das ist übrigens keine Spinnerei, sondern für die Straßenbahn in vielen deutschen Städten gängige Praxis. Wie wunderbar das funktionieren kann zeigt beispielsweise dieses Video aus Bremen.
In meinen Skizzen bin ich von den gleichen Flächenverfügbarkeiten ausgegangen wie in der oben gezeigten Konzeptskizze von Darmstadt fährt Rad (Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war hier Radentscheid Darmstadt als Quelle angegeben – das war ein Fehler, den ich bitte zu entschuldigen). Die Maße habe ich ausgehend von der Illustration auf Erfahrungswerten geschätzt, sie mögen also nicht exakt stimmen. Es geht ja aber nur darum, grobe Richtwerte zu ermitteln. Man sieht jedenfalls: Das große Vorurteil, dass Kreisverkehre mehr Platz benötigten, trifft gar nicht zu. Man bekommt da ganz wunderbar einen einspurigen kleinen Kreisverkehr hin, der den aktuellen FGSV-Regelwerken entspricht. Je mehr Platz man hat, desto stärker kann man den Radweg natürlich noch von der Kreisfahrbahn des Kfz-Verkehrs abrücken, ähnlich wie es im Bremer Video zu sehen ist.
Zum Durchschalten der unterschiedlichen Ansichten, einfach auf die Titel oberhalb des schwarzen Rahmens klicken/tippen.
Die Lagepläne sind natürlich nur Skizzen und sollen lediglich die grundsätzliche Verkehrsführung veranschaulichen. Markierungen etc. sind nur symbolisch und dienen nur der besseren Verständlichkeit.
Sehen wir uns mal genauer an, wie die Flächenanteile der einzelnen Knotenpunktlösungen auf die Verkehrsträger verteilt sind, und wie viel der Fläche entsiegelt werden kann. Die Diagramme zeigen die Flächenverteilung der obigen vier Lageplanskizzen im Knoten selbst (oberes Diagramm) sowie im Querschnitt der auf den Knoten zulaufenden Straße (unteres Diagramm). Zur Ermittlung der Flächen bitte auch die
beachten.Es wird anhand der Diagramme denke ich sehr deutlich: Sowohl bei Betrachtung der eigentlichen Knotenfläche als auch im Querschnitt des Knotenzulaufs ist bei der Schutzkreuzung der Kfz-Verkehr der größte Einzelposten der Flächenaufteilung und übertrifft den kompletten Umweltverbund. Die Knotenfläche ist zu 0 % entsiegelt. Es mutet daher etwas seltsam an, wenn beispielsweise die Zeit in einem Artikel über die am Anfang dieses Beitrags skizzierte zunehmende Forderung nach Schutzkreuzungen titelt „Der Platz auf den Straßen wird neu verteilt„. Denn das wird er bei der Schutzkreuzung im Wesentlichen überhaupt nicht. Sie bleibt ein Kfz-dominierter Raum.
Demgegenüber kann der Kfz-Anteil in allen Kreisverkehrvarianten etwa halbiert werden, während der Umweltverbund durch die konsequente Bevorrechtigung in der skizzierten Lösung deutlich an Anteilen gewinnt. Auch die Entsiegelung kann deutlich gesteigert werden. Auch wenn sie in keiner Kreisverkehrvariante auf mehr als 15 % im Knoten kommt, ist dies im Vergleich zu 0 % bei der Schutzkreuzung eine riesige Verbesserung. Jeder nicht versiegelte Quadratmeter ist ein guter Quadratmeter. Die Bilder neuer Kreisverkehre in Hamburg zeigen es: Das Potential zur Begrünung und Flächenentsiegelung im Vergleich zur Schutzkreuzung ist offensichtlich.
Und: Durch den Verzicht auf die Fahrstreifenaufweitungen im Knotenzulauf ergeben sich was die Entsiegelung im Querschnitt angeht auch noch deutliche Potentiale. Zwar sind in der hier dargestellten Variante die entsiegelten Anteile der Schutzkreuzung und des Kreisverkehrs ohne ÖV mit 22 % zu 23 % zwar etwa gleich hoch, man sollte hierbei aber beachten: Beim Kreisverkehr ist der Gehweg mit über 6 Metern sehr breit ausgeführt, weil er in meiner Skizze nahezu alle vom Kfz-Verkehr entfallenen Anteile erhalten hat. Hier wäre natürlich auch eine Verschmälerung zugunsten breiterer Grünstreifen denkbar. Es kann also deutlich einfacher variiert werden als bei der Schutzkreuzung.
Und noch ein weiterer Aspekt wird hier deutlich sichtbar: Bei der Schutzkreuzung ist es deutlich schwieriger, eine Straßenbahn oder eine Buslinie auf eigener Trasse bevorrechtigt durch die Kreuzung zu bekommen. Wenn man mal von den Beispielmaßen ausgeht: Wo soll die da noch hin bei Beibehaltung des Fuß- und Radverkehrsstandards und aller Abbiegestreifen für den Kfz-Verkehr? Der Kreisverkehr hingegen bietet diese Möglichkeit problemlos und mit einer einfachen und konsequenten Bevorrechtigung des ÖV-Fahrzeugs. Bei der Tram sogar mit einer Erhöhung der entsiegelten Flächenanteile.
Ich bin daher der Auffassung, dass innerstädtisch überall große signalisierte Knoten zu planen aus verschiedenen Gründen vor dem Hintergrund der angestrebten Verkehrswende nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Die Beispielskizzen und die Flächenbilanzen haben hoffe ich schon einige Vorteile gut illustrieren können. Der Kreisverkehr in der hier gezeigten Form mit durchgehend getrennter Führung des Radverkehrs bietet sich meiner Meinung nach im Vergleich zur Schutzkreuzung aber auch noch aus weiteren Gründen deutlich mehr an, die ich hier kurz zusammenfassen möchte.
Platzbedarf
Bei Außendurchmessern von bis zu 30-35 m ist der Platzbedarf nicht oder nur unwesentlich größer als bei größeren signalisierten Knoten, teilweise sogar geringer. Die Beispielskizzen weiter oben zeigen es ja: der Kreisel passt problemlos in die selben Flächen wie die geschützte Kreuzung. Am Ende bleibt sogar noch deutlich mehr Platz für den Gehweg.
Verkehrsberuhigung
Kreisverkehre haben durch die erzwungene Geschwindigkeitsreduktion des Kfz-Verkehrs unabhängig von der Fahrtrichtung (also egal ob geradeaus gefahren werden möchte oder abgebogen) eine stark verkehrsberuhigende Wirkung. Allein aufgrund der Knotengeometrie ist eine Geschwindigkeitsreduzierung nötig. Lärm und andere Störfaktoren des Kfz-Verkehrs werden dadurch deutlich reduziert. Der Effekt verstärkt sich, wenn der Kfz-Verkehr wie in den Beispielsskizzen dem Fuß- und Radverkehr untergeordnet und damit wartepflichtig ist. Das ist deutlich verträglicher mit lebenswerten öffentlichen Räumen in Innenstadtlagen und passt deutlich besser zu den übergeordneten Zielen der Verkehrswende.
Durchlässigkeit für den Fuß- und Radverkehr
Die Durchlässigkeit für Fuß- und Radverkehre ist i.d.R. deutlich besser als bei signalisierten Knoten, da sie den Knoten deutlich gleichberechtigter bzw. je nach Ausgestaltung sogar bevorrechtigt passieren können. Ampeln sind nicht nötig. Je nach Ausgestaltung (siehe Grafiken oben) kann sowohl der Fuß- als auch der Radverkehr ohne Wartezeiten flüssig den Knoten passieren, während sich der Kfz-Verkehr unterordnet. Das wäre bei einem signalisierten Knoten nicht möglich, denn hier ergeben sich zwangsweise immer Wartezeiten für Fuß- und Radverkehr. Durch das bevorrechtige Durchqueren des Knotens wird Nahmobilität und der Umweltverbund gestärkt. Die großen Radien ermöglichen dem Radverkehr ein flüssiges und angenehmes Durchfahren des Knotens unabhängig davon, in welche Fahrtrichtung es weitergehen soll. Zwar erhöht sich die zu fahrende Strecke etwas, dafür kann aber flüssig und dem Kfz-Verkehr gegenüber bevorrechtigt durchgefahren werden. Für den Fußverkehr verlängern sich die Wege je nach Lage der Fußgängerüberwege und Gehrichtung teils, dafür ist aber auch für ihn kein Warten mehr nötig und ein deutlich flüssigeres und sichereres Bewegen über den Knoten möglich.
Priorisierung des ÖPNV
Kreisverkehre sind deutlich besser für eine Priorisierung des ÖPNV geeignet. Das erreicht man mit durchfahrbaren Mittelinseln. Die Priorisierung für das ÖV-System ist so deutlich einfacher mittels Bedarfsampel und Sperrung der Kreisfahrbahn umsetzbar, d.h. deutlich weniger komplexe Ampelschaltungen bei gleicher, wenn nicht sogar besserer ÖV-Priorisierung und geringeren Sperrzeiten für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Bei der Straßenbahn ist das eine übliche Lösung und es gibt keine technischen oder regulatorischen Gründe, das nicht auch beim Bus so zu handhaben (die Lösung ist auch für den Bus in der Form im Regelwerk der FGSV enthalten). Die ÖV-Priorisierung ist deutlich kostengünstiger, weil die Ampel baulich und technisch deutlich weniger komplex sein muss, gleichzeitig aber dennoch für den ÖV zuverlässiger, weil weniger komplex. Solche Knotenpunkttypologien bieten sich für BRT-Systeme wie in diesem Beitrag für den Bus skizziert an (in den Lageplanskizzen ganz unten) und es ist in der Prinzipskizze oben auch für die Straßenbahn und den Bus zu sehen. Für Straßenbahnen und höherwertige Buslinien sollten Kreisverkehre mit durchfahrbarer Mittelinsel die Knotenpunktlösung der Wahl sein. In unserem Nachbarland Frankreich ist dies sowohl bei Bus- als auch bei Straßenbahnsystemen eine oft genutzte Lösung und wird für die ÖV-Priorisierung in gewachsenen Innenstadtlagen als beste Knotenpunktlösung empfohlen. Gut für den Radverkehr, den Fußverkehr und den ÖPNV.
Wirtschaftlichkeit/Kosten
Komplexe Ampelanlagen werden vermieden. Die Kosten für Bau, Wartung und Betrieb entfallen daher entweder komplett oder sind bei Kreisverkehren mit ÖV-Priorisierung deutlich geringer, da die Ampelanlage deutlich weniger komplex ist. Der Kreisverkehr ist für die Kommunen somit langfristig auch finanziell die bessere Lösung. Allein für den Betrieb der Ampeln geben Städte jährlich Millionenbeträge aus. Beim Kreisverkehr liegt der Kostenpunkt bei null Euro, weil schlicht keine Ampel vorhanden ist (Kreisverkehre mit ÖV-Bevorrechtigung ausgenommen).
Verkehrssicherheit
Die Verkehrssicherheit in einspurigen Kreisverkehren ist grundsätzlich deutlich höher als bei Kreuzungen mit Ampeln, da die Geschwindigkeit des KFZ-Verkehrs als gefährlichster Verkehrsträger stark reduziert werden. Weniger Unfälle mit schweren Verletzten und/oder Toten sind die Folge. Mir ist leider kein empirischer Vergleich der Schutzkreuzung zu Kreisverkehren bekannt. Da Kreisverkehre aber allgemein als die sicherste Knotenpunktform zählen kann man davon ausgehen, dass die Verkehrssicherheit eines Kreisverkehrs mindestens genauso hoch ist wie die einer Schutzkreuzung, wahrscheinlich sogar deutlich höher.
Nachtrag: In der Zwischenzeit ist mir doch ein Vorher-Nachher-Vergleich von Kreuzungsumbauten zu Kreisverkehren aus den Niederlanden untergekommen. Die dortigen Erfahrungen zeigen: Der Kreisverkehr ist gerade für den Radverkehr auch im Vergleich zu Schutzkreuzungen die sicherste Knotenpunktform. Warum aber sollten wir dann aus Gründen der Verkehrssicherheit für den Radverkehr stattdessen auf die geschützte Kreuzung setzen, obwohl sie neben all ihren weiteren Nachteilen selbst in ihrem Kernaspekt dem Kreisverkehr so deutlich unterlegen ist?
Hitze- und wassersensibler Stadtumbau/blau-grüne Infrastruktur
Fahrbahnaufweitungen vor den Knoten auf mehrere Richtungsfahrstreifen zulasten der angrenzenden Fußgänger- und Radverkehrsanlagen oder Grünflächen entfallen weitestgehend, da die Zufahrten in die Kreisverkehre bei Beibehaltung aller Fahrbeziehungen für den Kfz-Verkehr einstreifig bleiben können. Durch den Verzicht auf zusätzliche Fahrbahnaufweitungen in den Knotenzuläufen sowie der Möglichkeit einer Begrünung der Mittelinsel ist im Sinne der klimaangepassten Überplanung innerstädtischer Räume eine deutlich stärkere Flächenentsiegelung möglich als bei signalisierten Knoten. Die beispielhaften Flächenbilanzen weiter oben veranschaulichen das denke ich recht deutlich.
Leistungsfähigkeit Kfz-Verkehr
Ein in den Regelwerken sogenannter kleiner Kreisverkehr mit einem Außendurchmesser von 26 bis 40 m kann bis zu 25.000 Kfz pro Tag abwickeln. Zugegeben reduziert sich dieser Wert natürlich, wenn Rad- und Fußverkehr bevorrechtigt werden und vielleicht auch noch eine Straßenbahnlinie den Kreisel durchquert. Das ist wohl der einzige Aspekt, in dem die geschützte Kreuzung dem Kreisverkehr „überlegen“ ist. Sie kann auch für höhere Kfz-Stärken ausgelegt werden. Dennoch ist die Kapazität eines kleinen Kreisverkehrs für viele Kreuzungen in den meisten Städten vollkommen ausreichend. Die Wartezeiten und der Verkehrsfluss sind dabei häufig besser als bei signalisierten Knoten. Und selbst wenn die Kapazität mal nicht reichen sollte: Der Kfz-Verkehr soll perspektivisch in den Städten stark abnehmen. Die Infrastruktur wird für die kommenden 20-30 Jahre gebaut. Wir sollten also bei der Planung nicht von den heutigen Kfz-Stärken ausgehen, sondern vom Zielbild. Angesichts der vielen aufgeführten Vorteile, die Kreisverkehre für dieses Zielbild bieten, sind im Abwägungsprozess meiner Meinung nach eventuelle Wartezeiten für den Kfz-Verkehr vertretbar. Da der Kreisverkehr die Bedingungen für den Umweltverbund stark verbessert, werden die Alternativen zum Auto mit jedem solchen Kreisverkehr ja gleichzeitig deutlich attraktiver und die Städte wieder menschenfreundlicher und lebenswerter.
Und was spräche dagegen?
Natürlich können im Einzelfall auch immer gewichtige Gründe gegen einen Kreisverkehr sprechen. So muss der Kreisel natürlich städtebaulich integrierbar sein und beispielsweise auch Hanglagen sprechen oft gegen Kreisverkehre. In hügeligen Gelände mit starken Steigungen ist ein Kreisverkehr schwer anzulegen. Auch bei Strecken mit viel Schwerverkehr oder viel Großraum-/Schwerguttransporten (was aber in Innenstadtlagen eher selten der Fall sein sollte) muss im Einzelfall geprüft werden, ob dadurch nicht Ausschlusskriterien für einen Kreisverkehr vorliegen.
Aber: Wenn man ausreichend Platz für einen Kreisverkehr hat und keine spezifischen lokalen topografischen oder verkehrlichen Besonderheiten dagegen sprechen, sehe ich im Allgemeinen wenig Punkte, bei denen ein signalisierter Knoten Vorteile hätte. In vielen Fällen dürfte der Kreisverkehr meiner Meinung nach die einfachere, wirtschaftlichere und gleichzeitig leistungsfähigere, nachhaltigere und sicherere Lösung für alle Verkehrsteilnehmer sein. Und dort, wo gewichtige Gründe gegen einen Kreisverkehr sprechen, können wir ja immer noch die geschützte Kreuzung bauen. Aber warum sollten wir das angesichts ihrer Nachteile überall tun?
Interessanterweise wird dieser Gedanke um die Nachteile der geschützten Kreuzung auch in den Niederlanden immer stärker aufgegriffen. Auch der Initiative Darmstadt fährt Rad, die stark für geschützte Kreuzungen wirbt, ist dieser Umstand bewusst. So wird dort beispielsweise auf der Webseite erwähnt:
„In weiten Teilen der Niederlande werden mittlerweile Verkehrskreisel mit getrennter Radverkehrsführung präferiert, u.a. weil sie den MIV aufgrund der zentralen Verkehrsinsel auch beim Geradeausverkehr abbremsen, und weil man die Annahme vertritt, dass Verkehrsteilnehmer vorsichtiger und aufmerksamer sind, wenn die Knotenpunkte nicht signalisiert sind.„
Ich kenne mich mit der Debatte in den Niederlanden über dieses Thema nicht bis ins letzte Detail aus. Ein niederländischer Verkehrsplaner bestätigte mir diese Entwicklung aber erst kürzlich in einem Webinar zur Radverkehrsplanung in den Niederlanden. Auch er würde nach Möglichkeit aus ähnlichen Gründen wie ich den Kreisverkehr der Schutzkreuzung vorziehen. Generell scheint sich in den Niederlanden mittlerweile der Kreisverkehr für die Verknüpfung von übergeordneten Straßen als präferierte Knotenpunktform durchzusetzen. Die Gründe sind ähnlich zu denen, die ich hier aufgeführt habe.
Auch der ADFC führt den Kreisverkehr als eine gute Knotenpunktlösung auf. Die Lösung ist also weithin bekannt. Dennoch habe ich den Eindruck, dass am Ende dann doch eher die Schutzkreuzung gefordert wird und die Debatte prägt, wenn es um konkrete Umgestaltungen und Forderungen in den Städten geht.
Warum aber eine Lösung von gestern fordern und ohne Not jetzt noch neu verbauen? Warum trotz dieser Kenntnis weiterhin geschützte Kreuzungen statt Kreisverkehre als Standardlösung gefordert werden, verstehe ich nicht. Wenn schon von den Niederlanden lernen, dann doch am besten gleich richtig. Sonst kopieren wir Lösungen, die möglicherweise in den Niederlanden selbst mittlerweile als überholt gelten und für unsere Städte (nahezu) den Status Quo der Dominanz des Kfz-Verkehrs für die nächsten 20-30 Jahre zementieren. Die Schutzkreuzung ist meiner Ansicht nach jedenfalls deutlich überbewertet.
Soviel also zu meinen Ansichten, was die Schutzkreuzung angeht. Über Gegenansichten oder sonstige Meinungen und Rückmeldungen freue ich mich.