Der Schienengüterverkehr ist nicht unbedingt das Top-Thema, wenn es um die Verkehrswende geht. Nichtsdestotrotz ist er enorm wichtig, wenn wir Emissionen im Verkehrssektor senken wollen. Er darf bei der Verkehrswende nicht vergessen werden, wird es aber leider oft.
Auch die Bundesregierung beteuert seit Jahren, dass sie die Verkehrswende im Güterverkehr nicht verpasst. Bisher allerdings mit mäßigem Erfolg. Denn einerseits ist das erklärte Ziel der Bundesregierung seit einigen Jahren, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen, andererseits verharrt der Schienengüterverkehr seit Jahren bei einem Marktanteil von knapp unter 20 % – die Zielerreichung ist derzeit nicht in Sicht.
Erst kürzlich forderte die EVG finanzielle Unterstützung durch den Staat, um den unwirtschaftlichen Einzelwagenverkehr (dazu weiter unten mehr) weiterhin zu ermöglichen. Darüber hinaus wird in letzter Zeit viel über digitale und automatisierte Innovationen geredet. Die sollen den Schienengüterverkehr konkurrenzfähiger aufstellen. Meiner Meinung nach geht all das aber am grundlegenden Problem der schlechten Marktaufstellung des Schienengüterverkehrs vorbei. Warum ich das so sehe, möchte ich in diesem Beitrag erläutern. Was dagegen helfen könnte, werde ich demnächst im zweiten Teil des Beitrags erläutern.
Da der Güterverkehr und insbesondere der Schienengüterverkehr nicht unbedingt im Zentrum der öffentlichen Debatte steht, möchte ich in diesem Beitrag ein bisschen ausholen. Um die Probleme zu verstehen und zu begreifen, warum die Schiene in Konkurrenz zum LKW so wenig Marktanteile hält, ist etwas Hintergrundwissen erforderlich.
Vorab ein kleiner Hinweis: Die Inhalte dieses Beitrags stammen überwiegend aus einer Hausarbeit und einer Projektarbeit, die ich im Jahr 2019 im Rahmen meines Masterstudiums schrieb. Die Inhalte sind daher nicht mehr ganz aktuell, an den grundsätzlichen Zusammenhängen hat sich aber kaum etwas geändert.
Aktuelle Entwicklungen im Güterverkehr – was ist die Ausgangslage?
Bevor wir uns mit den Problemen des Schienengüterverkehrs befassen, sollten wir kurz einen Schritt zurück gehen und uns übergeordnete Trends und Entwicklungen im Güterverkehr ansehen. Die sind nämlich im ersten Schritt wichtig um zu verstehen, warum die Schiene es mittlerweile so schwer hat.
Derzeit lassen sich mehrere Trends ausmachen, die den europäischen Güterverkehr wesentlich beeinflussen und voraussichtlich für die kommenden Jahre weiterhin prägen werden.
1. Der Gütermengeneffekt
Der Gütermengeneffekt beschreibt den Sachverhalt, dass das Güterverkehrsaufkommen stetig steigt. Begründet wird dies unter anderem mit einem Strukturwandel in der Wirtschaft: Die Fertigungstiefe der produzierenden Industrie nimmt ab, während Zulieferanten und Arbeitsteilung zunehmen. Wurden früher in einer Fabrik noch ein Großteil der Einzelteile eines Produkts selbst vor Ort hergestellt, werden heute ein Großteil der Einzelteile bei Zulieferern eingekauft, zur Fabrik geliefert und dort nur noch zum fertigen Produkt zusammengesetzt. Dadurch steigen die Transportmengen. Zusätzlich sorgt das allgemeine, stetige Wirtschaftswachstum für einen weiteren Zuwachs der zu transportierenden Güter. Eine weitere Zunahme des Güterverkehrs in den kommenden Jahren wird daher erwartet.
2. Der Güterstruktureffekt
Der Güterstruktureffekt beschreibt den Sachverhalt, dass der Anteil an Massengütern sinkt, während der Anteil an zu versendenden bereits vorverarbeiteten, hochwertigeren Stückgüter steigt. Auch dies ist im allgemeinen wirtschaftlichen Strukturwandel begründet.
Basisindustrien wie beispielsweise die Montanindustrie, die sehr massengutintensiv ist, verlagern sich zunehmend weg von Europa hin zu Schwellen- und Entwicklungsländern, während in Europas Industrie zunehmend nur noch Basisrohstoffe veredelt werden. Das Verkehrsaufkommen von Massengut sinkt daher, während das Aufkommen der zu transportierenden veredelten Endprodukte steigt.
Zusätzlich spielt auch hier der bereits oben angesprochene Gütermengeneffekt und die geringere Fertigungstiefe der einzelnen Unternehmen eine Rolle: Von Zulieferern bereits fertig hergestellte Einzelteile werden als Stückgutsendungen nur noch zur Endmontage geliefert. Das heißt: Weniger hohes Transportvolumen an Massengütern und fertigen Endprodukten, deutlich mehr kleinere Sendungen unterschiedlicher kleinerer Produkte.
3. Der Integrationseffekt – Globalisierung und grenzüberschreitende Verkehre
Durch die zunehmende Integration der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und der Staaten des europäischen Wirtschaftsraums sind die nationalstaatlichen Wirtschaften Europas zunehmend verflechtet. Der gemeinsame Binnenmarkt, entfallene Zollgrenzen und letztlich auch die in vielen Ländern gemeinsame Währung führten in den vergangenen Jahrzehnten zu einem stetigen Wachstum an grenzüberschreitenden, europäischen Verkehren.
Güterstruktur- und Gütermengeneffekt enden nicht mehr an den Landesgrenzen, sondern werden durch die Möglichkeiten grenzüberschreitender Warenströme und Zuliefernetzwerke zusätzlich verstärkt. Sowohl innerhalb Europas als auch über den Kontinent hinaus.
4. Logistikeffekte – Just in Time und Just in Sequence
Bedingt durch die geänderten Produktionsroutinen der Industriebetriebe, die durch die bereits oben angesprochene geringere Fertigungstiefe gekennzeichnet sind, entstehen hohe Anforderungen an die Beschaffungslogistik. Durch die Auslagerung von Produktionsprozessen an Zulieferer streben Unternehmen danach, die für die Produktion nötigen Teile zur richtigen Zeit (just in time) und in richtiger Reihenfolge (just in sequence) zur Endmontage geliefert zu bekommen.
In diesem Zusammenhang wird in den Medien hin und wieder von der deutschen Autobahn als outgesourcte und auf Steuerzahlers Kosten finanzierte Lagerhalle der Firmen gesprochen. Die Ware ist ständig unterwegs, und kommt idealerweise erst kurz bevor sie wirklich in der Produktion benötigt wird am Werk an. Denn dadurch kann die stationäre Lagerhaltung der Firma geringer ausfallen und somit Geld gespart werden. Der Anspruch an den Logistikdienstleister ist also der, dass die zur Fertigung des Produkts nötigen Einzelteile zur richtigen Zeit und oft auch in der richtigen Reihenfolge ankommen.
5. Veränderte Konsumgewohnheiten
Durch die Möglichkeiten des Internets und des Online-Handels nimmt der Warenversand kontinuierlich zu, während der stationäre Handel über die vergangenen Jahre stetig an Anteilen verloren hat. Seit Einsetzen des Online-Handels haben die Mengen an zu transportierenden Warenpaketsendungen für private Empfänger kontinuierlich zugenommen, die Tendenz ist weiter steigend. Das kennen viele sicher aus dem Alltag: Statt in die Stadt zu fahren, um sich dort die gewünschten Produkte zu kaufen, wird online bestellt und nach Hause geliefert.
Was bedeuten diese Entwicklungen für den Schienengüterverkehr?
Trotz des Gütermengeneffektes, also dem stetig und weiterhin prognostizierten Steigen des Güterverkehrsaufkommens, konnte der Schienengüterverkehr kaum Marktanteile gewinnen. Die nachfolgende Abbildung zeigt deutlich: Zwar wuchs das gesamte Güterverkehrsaufkommen kontinuierlich, vom Wachstum profitierte aber entgegen der politischen Zielsetzung überwiegend der Straßengüterverkehr. Also der LKW. Wurden 1991 noch knapp 250 Milliarden Tonnenkilometer auf der Straße erbracht, verdoppelte sich dieser Wert bis 2017 auf gut 500 Milliarden Tonnenkilometer. Bei der Schiene hingegen stieg die Verkehrsleistung im selben Zeitraum nur von etwa 80 Milliarden Tonnenkilometern auf circa 130 Milliarden. Nach einem starken Rückgang der Marktanteile von etwa 21 Prozent 1991 auf gut 15 Prozent um die Jahrtausendwende stagniert der SGV in den letzten zwei Jahrzehnten etwa zwischen 16 und knapp 20 Prozent. Ein klarer Aufwärtstrend ist nicht erkennbar.
Der Schienengüterverkehr kann daher getrost als Verlierer der oben angerissenen Trends verstanden werden. Die Globalisierung mit ihrer Verlagerung der Basisindustrien aus Europa in Schwellen- und Entwicklungsländer führt zu einem Rückgang am Verkehrsaufkommen von schweren Massengütern (z.B. Kohle, Stahl etc.), für die der Verkehrsträger Schiene aufgrund seiner Systemeigenschaften gut geeignet ist. Vom gleichzeitig steigenden Aufkommen an zu transportierenden kleineren Einheiten an Stückgütern bedingt durch zunehmendes Outsourcing und den Online-Handel kann die Schiene demgegenüber nur wenig profitieren, da gerade in diesem Gütersegment die Nachteile der Schiene deutlich zum Tragen kommen (dazu im nächsten Kapitel mehr).
Darüber hinaus ist die zunehmende Integration der europäischen Wirtschaften ein Problem für den Schienengüterverkehr. Kann der LKW mit seiner Ladung ohne Weiteres auch die Straßeninfrastruktur im Nachbarland nutzen, gilt dies für den Güterzug nicht. Uneinheitliche Stromversorgungssysteme, andere Leit- und Sicherungstechnik und nicht zuletzt auch unterschiedliche Spurweiten erschweren einen grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr. Der LKW fährt im Zweifel einfach über die Grenze. Beim Güterzug ist das oft nicht ganz so einfach.
Wie funktioniert der Schienengüterverkehr? Die einzelnen Produktionsformen kurz und knapp
Um zu verstehen, warum die Schiene so wenig von den steigenden Verkehrsmengen profitieren kann, möchte ich kurz die wesentlichen Produktionsformen des Schienengüterverkehrs erläutern. Das ist essentiell um zu begreifen, woran der Schienengüterverkehr krankt.
Fangen wir mit dem Produktionsprozess an, der im Großen und Ganzen noch ganz gut funktioniert und um den wir uns eher keine Sorgen machen müssen.
Der Ganzzugverkehr
Das bedeutet, ein langer Güterzug fährt in einer festen Zusammensetzung von Punkt A nach Punkt B, ohne dass (im Wesentlichen) Anzahl und die Reihenfolge der Waggons zwischen A und B geändert wird – der Zug bleibt als Ganzes bestehen, daher der Name.
Das funktioniert prima, wenn man zum Beispiel am Punkt A ein Kohlebergwerk hat und an Punkt B eine Kohlekraftwerk. Dann kann man schlicht einen Ganzzug mit vielen Waggons voller Kohle bilden. Oder an Punkt A einen großen Hafen, an dem viele Container ankommen und an Punkt B ein Verteilzentrum, an dem die Container ankommen und per LKW weiterverteilt werden können. Dann kann man einfach einen Ganzzug mit ganz vielen Containern drauf bilden. Das passiert zum Beispiel zwischen dem Hamburger Hafen und Tschechien ganz häufig.
Der Ganzzugverkehr eignet sich also gut für die Versendung von bahnaffinen Gütern, also großen Mengen gleicher Ladungen. Er ist in der Produkterstellung verhältnismäßig einfach, da die Zusammensetzung des Zuges über den Verlauf nicht mehr angefasst werden muss. Zudem spielt die Eisenbahn hier auch ihre Vorteile aus. Man stelle sich nur mal vor, VW würde täglich die produzierten Autos per LKW nach Emden fahren, um sie dort zu verschiffen. Oder das Kohlekraftwerk per LKW mit Kohle beliefert. Allein der Personalaufwand wäre um ein vielfaches höher im Vergleich dazu, dass man auch „einfach“ einen langen Zug ohne weitere Eingriffe zwischen A und B fahren lassen könnte. Die wirtschaftliche Entwicklung des Ganzzugverkehrs wird daher überwiegend als stabil angesehen.
Das Problem ist nur: Durch die im ersten Kapitel geschilderten Trends, vom Wandel von Massen- zu Stückgut und just-in-time und just-in-sequence Logistiken und dem steigenden Verkehrsaufkommen durch den Onlinehandel wird im Verhältnis zum Gesamtgüteraufkommen immer weniger Ganzzugverkehr benötigt. Denn das Wachstum im Schienengüterverkehr entsteht nicht durch ein höheres Aufkommen von ganzzuggeeigneten Gütern. Sondern von Gütern, die sich nicht gut für den Ganzzugverkehr eignen, weil sie kleinere Mengen unterschiedlicher Ladegütern umfassen.
Und genau diese Marktnachfrage wird bei der Eisenbahn mit der Produktionsform abgedeckt, bei der wir auf die großen Probleme stoßen.
Der Einzelwagenverkehr
Kleinere Mengen an Ladungen die an unterschiedliche Orte gebracht werden müssen (also das, was der LKW gut kann), werden bei der Eisenbahn im sogenannten Einzelwagenverkehr bedient. Und traditionell heißt: Im Wesentlichen unverändert seit der Erfindung der Eisenbahn.
Im Einzelwagenverkehr werden einzelne Wagen in der Fläche in sogenannten Satelliten (Gleisanschlüsse oder Ladestellen) eingesammelt und anschließend zu regionalen Rangierbahnhöfen verbracht und zusammengestellt. Von dort werden sie nach Richtungen sortiert zu überregionalen Rangierbahnhöfen überführt.
Dort werden sie abermals nach Richtungen getrennt sortiert und zu Richtungsganzzügen umgebildet. Die so gebildeten Ganzzüge werden anschließend zu dem Ziel am nächsten gelegenen überregionalen Rangierbahnhof überführt, wo der Prozess in umgekehrter Reihenfolge bis zur Auslieferung des Einzelwagens am Zielgleisanschluss erfolgt.
Für die Be- und Entladung am Gleisanschluss sind die versendenden Unternehmen zuständig. Sofern die Güterwaggons gemietet sind und sich nicht im Besitz des versendenden Unternehmens befinden, umfasst die Pflicht des Kunden üblicherweise auch das Bereitstellen der Waggons am vertraglich vereinbarten Übergabeort im vollständig entleerten und gereinigten Zustand.
Wenn man es liest, merkt man denke ich schon, wie unflexibel und aufwendig das Ganze ist. Knackpunkt des ganzen ist dabei meiner Meinung nach das Trennen, Sortieren und Zusammenfügen der Züge. Das, was als Zugbildung bezeichnet wird. Aber dazu später mehr.
Wäre der Einzelwagenverkehr Personenverkehr, man müsste sich das so vorstellen: Man will als Person von einem kleinen Ort in einen anderen kleinen Ort am anderen Ende der Republik fahren. Statt dass man sich einfach ein Ticket für einen Zug kauft und einsteigt, hätte jeder Fahrgast seinen eigenen Waggon. Und statt dass der Fahrgast an den Umstiegsbahnhöfen einfach aus einem Zug aussteigt und in einen anderen Zug wechselt, wechselt jedes Mal der ganze Waggon, in dem der Fahrgast sitzt. Er müsste jedes Mal aus dem Zug ein- und ausgekoppelt werden, um mit anderen Waggons mit Fahrgästen in die gleiche Richtung zu einem neuen Zug zusammengeführt zu werden. Und das ganze immer und immer wieder, bis man am Zielbahnhof ist.
Um den Waggon müsste sich der Fahrgast natürlich selbst kümmern, also entweder mieten oder kaufen. Achso, und ich vergaß noch zu erwähnen: Natürlich müssen Sie, wenn Sie nicht wirklich ein Vermögen bezahlen wollen, in jedem Umstiegsbahnhof darauf warten, dass genügend andere Fahrgäste in die gleiche Richtung da sind. Denn der ganze Aufwand lohnt sich natürlich erst, wenn eine kritische Masse an Waggons in die gleiche Richtung erreicht ist. Wenn die Lok nur einen Waggon zieht, hätten Sie ja schließlich auch gleich Auto fahren können.
Klingt absurd, oder? Genau so funktioniert aber im Wesentlichen der Einzelwagenverkehr. Im Wesentlichen sollten Sie jetzt verstanden haben, warum die Schiene dem LKW für solche Transporte keine Konkurrenz bieten kann. Und warum die Schiene im Vergleich zum LKW erst dann wirtschaftlich wird, wenn es zwischen A und B eine ausreichende Menge an zu verladenden Gütern gibt, die sich für Ganzzüge eignen. Wer es genauer wissen will, liest jetzt weiter, wem das schon reicht und lieber direkt zur Problemursache springen möchte, klickt einfach hier.
Aufgrund des hohen Aufwands in der Produkterstellung hat der Einzelwagenverkehr in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung verloren. Durch den hohen Zeit- und Personalaufwand bei den vielfachen Rangier- und Zugbildungsprozessen im Vergleich zum Straßenverkehr, konnte der Einzelwagenverkehr in der Fläche nur in seltenen Fällen konkurrenzfähig gegenüber dem LKW bleiben.
In der Folge wurden über die vergangenen Jahrzehnte insbesondere in ländlichen Regionen Gleisinfrastruktur für den Schienengüterverkehr in Form von Strecken, Gleisanschlüssen, Ladegleisen und Rangierknoten zurückgebaut. Dadurch wurde das früher eigentlich sehr engmaschige Erschließungsnetz der Schiene immer weitmaschiger. Und so verlor bzw. verliert der Einzelwagenverkehr noch mehr Konkurrenzfähigkeit. Es ist eine klassische Abwärtsspirale.
Kommen wir zur dritten und im Wesentlichen letzten Produktionsform.
Der kombinierte Verkehr
Wenn Versender und/oder Empfänger keinen Gleisanschluss haben, kann der kombinierte Verkehr zur Anwendung kommen. Der Vor- und/oder Nachlauf zum Umschlagebahnhof erfolgt dabei mit dem LKW. Das heißt, der LKW fährt vom Versender zum Güterbahnhof und erst dort wird das Ladegut auf die Eisenbahn verladen. Anders als im Ganzzug- und Einzelwagenverkehr, bei denen Rollmaterial und Ladegutaufbau meist untrennbar miteinander verbunden sind, wird das zu transportierende Gut in einem vom Rollmaterial getrennten Transportbehälter transportiert. Beispielsweise einer Wechselbrücke oder einem Container.
Dadurch wird ein relativ einfacher Umschlag zwischen verschiedenen Verkehrsträgern ermöglicht. Im Prinzip ist der oben angesprochene Ganzzugverkehr mit Containern in der Regel Teil einer Transportkette des kombinierten Verkehrs.
Problematisch ist hierbei ist insbesondere der höhere logistische Aufwand durch die Notwendigkeit, die Transportkette verkehrsträgerübergreifend zu organisieren sowie durch den Umschlagvorgang, der Zeit und Geld kostet. Darüber hinaus existieren insbesondere in ländlichen Regionen nach dem bereits angesprochenen Rückbau an Infrastruktur nur noch wenig Verladestellen zwischen Straße und Schiene, wodurch für den Vor- und Nachlauf mit dem LKW teils recht weite Strecken zurückgelegt werden müssten. Oft ist es daher schlicht einfacher und günstiger, direkt die ganze Strecke den LKW zu nutzen.
Kombinierter Verkehr lohnt sich daher häufig erst über lange Strecken oder zwischen Aufkommensschwerpunkten, wie beispielsweise zwischen einem Containerhafen und einem weiter im Inland gelegenem regionalen Verteilzentrum (wie beispielsweise zwischen dem Hamburger Hafen und Tschechien).
Warum die Schiene keine Marktanteile gewinnt
Bis hierher lässt sich also zusammenfassen: Während der Schienengüterverkehr im Ganzzugverkehr seine systemischen Vorteile gegenüber dem Verkehrsträger Straße hat, gilt dies für Verkehrsströme von kleineren Mengeneinheiten, die zwischen einer Vielzahl verschiedener Quellen und Ziele versendet werden müssen, nicht.
Leider sind das angesichts der übergeordneten Trends aber genau die Warenströme, die zu einem insgesamt wachsenden Güterverkehrsaufkommen führen. Das Konkurrenzprodukt zum LKW im Schienengüterverkehr ist wie erläutert der Einzelwagenverkehr. Dieser ist aber leider überhaupt nicht konkurrenzfähig. Das liegt an mehreren Problempunkten.
Problempunkt 1: Zeit
Die Transportzeiten im Schienengüterverkehr sind oft wenig vorhersehbar, da die Infrastruktur für die steigenden Zugverkehre im Personen- und Güterverkehr nicht mitgewachsen ist und ausgebaut wurde. Stattdessen wurde sie durch politischen Willen in den vergangenen Jahrzehnten stark verringert. Während in den vergangenen Jahrzehnten massiv Geld in den Ausbau tausender Kilometer neuer Autobahnen investiert wurde, verlor der Verkehrsträger Schiene Überholgleise und Schienenkilometer.
Durch die Logistikeffekte und der von der Kundschaft gefragten Just in Time Lieferung müssen Logistikunternehmen aber verlässliche und schnelle Transportzeiten bieten können. Dass der Schiene das nicht gelingt, liegt aber nicht allein am auf dem letzten Loch pfeifenden Schienennetz.
Selbst bei einem fantastisch gepflegten Schienennetz wäre der Schienengüterverkehr im Vergleich zum LKW insbesondere im Transport von kleinen Mengen, die die kritische Masse für den Einsatz von Ganzzügen nicht erreichen, und insbesondere auf kürzeren Strecken bis etwa 300-400 Kilometern zu langsam und zu unflexibel. Denn der Produktionsprozess des Einzelwagenverkehrs mit seinen vielen Rangiervorgängen und Zugbildungen ist enorm zeitintensiv. Die Umsortierung eines Zuges in einem Rangierbahnhof dauert bis zu 12 Stunden. Die sich daran anschließende Zugvorbereitung mit Bremsproben und wagentechnischer Behandlung nimmt zusätzliche Stunden in Anspruch.
Daraus ergibt sich in direkter Folge der nächste Punkt.
Problempunkt 2: Kosten
Der Schienengüterverkehr ist im Vergleich zum LKW insbesondere auf kürzeren Strecken bis 300-400 Kilometern zu teuer. In einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft ist für die Kunden von Logistikleistungen der Preis im Verhältnis zur erbrachten Leistung ein entscheidendes (wenn nicht gar das entscheidende) Kriterium.
Im Vergleich zum LKW leidet auch hinsichtlich dieses Kriteriums insbesondere der Einzelwagenverkehr an starken Nachteilen. Zwar kann ein einzelner Lokführer eine viel höhere Masse an Gütern bewegen. Die infrastrukturellen und personellen Voraussetzungen, die zum Zustandekommen des von nur einer Person gefahrenen langen Zuges nötig sind, sollte man dabei aber nicht vergessen.
Zum einen ist Unterhalt und Nutzung der Infrastruktur für die Eisenbahnverkehrsunternehmen deutlich stärker gestiegen als die LKW-Maut. Zum anderen sind auch die Investitionen in Bau und Unterhalt der bestehenden Schieneninfrastruktur für die Eisenbahninfrastrukturunternehmen enorm hoch. Und während der Straßenanschluss oder die LKW-Parkplätze im Industriegebiet überwiegend unbürokratisch vom Staat, sprich den Steuerzahlern, übernommen wird, muss der Gleisanschluss mit Abstellanlagen vom Unternehmen mit Interesse am Schienenverkehr selbst bezahlt werden (auch wenn Förderprogramme existieren).
Kernproblem ist aber meiner Meinung nach ein anderes: Hinzu kommt, dass der herkömmliche Zugbildungsprozess mit der Notwendigkeit des manuellen Kuppelns und der Vorbereitung der Züge (Wagentechnische Behandlung, Bremsproben etc.) der Züge sehr personal- und damit auch kostenintensiv ist. Zusätzlich ist die für die Zugbildung nötige Infrastruktur, der Rangierbahnhof selbst, enorm material- und flächenintensiv und allein dadurch bereits sehr teuer in Bau und Unterhalt.
Der größte Rangierbahnhof Europas in Maschen nimmt knapp drei Quadratkilometer Fläche in Anspruch. Dafür wurden allein etwa 300 Kilometer Gleis, 750 Weichen und 590000 Schwellen verbaut – ein gewaltiger baulicher und finanzieller Aufwand.
Hinzu kommen die durch die hohen Lasten verursachten hohen statischen und dynamischen Belastungen und der dadurch hohe Wartungsaufwand dieser Zugbildungsanlagen. Zusätzlich zu diesem hohen infrastrukturellen Aufwand kommt der hohe personelle Aufwand, da die Zugbildung weitestgehend manuell erfolgt. Der hohe baulich-infrastrukturelle sowie personelle Aufwand für die Zugbildung und Rangiervorgänge resultieren in relativ hohen Kosten für die Kunden.
Problempunkt 3: Erreichbarkeit
Der Schienengüterverkehr erreicht Kunden abseits der großen Zentren kaum noch, da die Gleis- und Ladeinfrastruktur durch den Rückbau der vergangenen Jahrzehnte häufig nicht mehr vorhanden ist. Da aufgrund der hohen Kosten und langsamen Produktionsprozesse insbesondere Einzelwagenverkehre nicht mehr gegenüber der Konkurrenz des LKW bestehen konnten, wurden viele Gleisanschlüsse, Verladestellen und Nebenstrecken in den letzten Jahrzehnten zurückgebaut, Einzelwagenverkehre werden daher fast ausschließlich noch über große Entfernungen und zwischen Orten mit hohem Transportaufkommen angeboten.
Kunden, die abseits der Umschlagknoten nur geringere Transportmengen versenden wollen, kann der Schienengüterverkehr somit kein Angebot mehr machen. Zwar wird versucht, Angebote im kombinierten Verkehr zu machen, dies ist jedoch nur eingeschränkt möglich. Zum einen sind oft die Wege zu Umladestellen so lang und der Zeitverlust des Umladens bis zum Fahrtbeginn des Zuges so hoch, dass Unternehmen die gesamte Transportkette per LKW erbringen lassen. Zum anderen verhindert die hohe Anzahl an Spezialwaggons, die im Schienengüterverkehr genutzt werden, ein einfaches Umschlagen der Ladung, da der Ladungsträgeraufbau häufig untrennbar mit dem Rollmaterial verbunden ist. Lediglich Waren in zum Beispiel Containern, Wechselbrücken oder Tankcontainern lassen sich somit in den Umschlagbahnhöfen zum intermodalen Transport nutzen.
Zusammengefasst lässt sich also sagen: In Konkurrenz zum Einzelwagenverkehr liegen die systemischen Vorteile beim Verkehrsträger Straße mit seinen kleineren Ladeeinheiten, flexibleren Produktionsprozessen, dem engmaschigeren Netz und einem niedrigschwelligeren Marktzugang. Um wieder attraktiver für Kunden zu werden, müssen daher insbesondere die Probleme in der Leistungserstellung für kleinere Lademengen zwischen vielen verschiedenen Zielen und über kürzere Distanzen untersucht werden. Die Entwicklungen und der Strukturwandel im Güterverkehr kommen den Systemeigenschaften des Verkehrsträgers Straße entgegen, während die Systemeigenschaften des Schienengüterverkehrs in seiner derzeitigen Form den geänderten Marktanforderungen regelrecht zuwiderlaufen. Die Schiene und insbesondere der Einzelwagenverkehr ist für das, was der Logistikmarkt heute braucht, überwiegend ungeeignet. Die wichtigsten Problempunkte lassen sich in die einzelnen Aspekte Zeit, Kosten und Erreichbarkeit unterteilen. Und sie sind hausgemacht, meiner Meinung nach. Warum, erkläre ich im Folgenden.
Warum Digitalisierung und Automatisierung kaum etwas bringen werden
Es wird deutlich: Der Schienengüterverkehr ist in seiner jetzigen Form für die Marktanforderungen der Logistik des 21. Jahrhunderts kaum geeignet. Die Produktionsprozesse mit dem zeitaufwendigen, personal-, kosten- und infrastrukturintensiven Zugbildungsanlagen und Zugbildungsprozessen sind in Konkurrenz zum LKW nicht in der Lage, den eingangs beschriebenen übergeordneten Trends und Entwicklungen im Güterverkehr Rechnung zu tragen.
Für die heute notwendigen Transportprodukte ist der Schienengüterverkehr insbesondere im Einzelwagenverkehr zu langsam, zu teuer und zu weit entfernt vom Kunden. Da davon auszugehen ist, dass der Anteil an kleinen Stückgutsendungen weiter steigen wird, während der Anteil bahnaffiner Massengüter weiter sinken soll, ist mit einem Wachsen der Marktanteile der Schiene nicht zu rechnen.
Die von Umweltverbänden und Politik seit Jahrzehnten geforderte Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene ist bisher ausgeblieben, auch wenn die in diesem Beitrag beschriebenen Sachverhalte grundlegend auch von der Politik anerkannt und im Masterplan Schienengüterverkehr festgehalten werden. Wesentliche Gründe für den Verlust an Marktanteilen werden im Masterplan Schienengüterverkehr überwiegend in den Kosten für die Produktionserstellung gesehen, die beim Verkehrsträger Schiene deutlich stärker gestiegen seien als beim Verkehrsträger Straße.
Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket soll in Zukunft der Schienengüterverkehr gezielt gefördert werden. Das Maßnahmenpaket berührt dabei einige der hier genannten Probleme. Zum Beispiel geht es um den Ausbau der Netzkapazitäten und die Elektrifizierung von Strecken, um die Förderung des kombinierten Verkehrs, die Förderung von Digitalisierung und Automatisierung, um die Zugbildungs- und Rangierprozesse zu beschleunigen und Personal zu sparen sowie der Förderung von ETCS für verbesserte grenzüberschreitende Verkehre. Hier steht zum Beispiel immer wieder die seit vielen Jahren vorangebrachte und nun tatsächlich bald vor Einführung stehende Digitale Automatische Mittelpufferkupplung für Güterwagen im Fokus.
Sie soll zumindest den aufwendigen und personelintensiven Kuppelvorgang bei der Zugbildung verbessern. Darüber hinaus sollen vermehrt Mehrsystemloks zum Einsatz kommen, die über Zweikraftantriebe verfügen und somit als Streckenlokomotiven eingesetzt werden können, jedoch auch flexibel kürzere Strecken in nicht elektrifizierten Netzabschnitten oder Gleisanschlüssen befahren können.
Vor dem Hintergrund der Problemlage können all diese Maßnahmen als richtig und wichtig erachtet werden. Aber, wenn man sich die Probleme genauer anschaut und das mal umfassend analysiert, glaube ich:
All die angepeilten Maßnahmen behandeln letztlich nur Symptome, die tieferliegenden Ursachen für die mangelnde Zukunftsfähigkeit des Schienengüterverkehrs werden von ihnen nicht berührt. Das grundlegende Problem des Schienengüterverkehrs liegt im Wesentlichen darin begründet, dass seit Erfindung der Eisenbahn keine grundlegende Änderung oder Innovationen des Wagenkonzepts und der daraus resultierenden nötigen Produktionsprozesse stattfanden.
Das Kernproblem ist der seit Jahrhunderten unveränderte Produktionsprozess
Der Ganzzugverkehr läuft eigentlich ganz gut und wird von den angesprochenen technischen Neuerungen sicher auch profitieren. Wie erläutert bedient der Ganzzugverkehr aber ganz andere Marktsegmente als der LKW. Er konkurriert in diesem Sinne gar nicht wirklich mit ihm. Das Konkurrenzprodukt zum LKW ist der Einzelwagenverkehr. Und hier liegt der Hase im Pfeffer.
Das ursächliche Problem für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit und die geringen Marktanteile des Schienengüterverkehrs ist, dass wir bei dem Produkt, das für die geänderten Anforderungen des Logistikmarktes entscheidend ist – nämlich dem Einzelwagenverkehr – seit Erfindung der Eisenbahn auf denselben Produktionsprozess setzen.
Es gab hier schlicht seit über 150 Jahren keine Innovation oder grundlegende Reform. Während sich die Welt weiterentwickelt hat, machen wir im Einzelwagenverkehr immer noch dasselbe wie zu Anfangszeiten der Eisenbahn. Nach wie vor werden Ladegutaufbau und Rollmaterial im Wesentlichen als eine untrennbare Einheit verstanden und genutzt.
Daher müssen nach wie vor für verschiedene zu transportierende Güterarten speziell für diesen Transportzweck geeignete Güterwagen entwickelt, hergestellt und beschafft werden. Dieses Erfordernis stellt eine enorme Schwelle für den Marktzugang im Schienengüterverkehr dar, da die Güterwagen teuer und aufwendig in der Anschaffung sind und letztlich äußerst unflexibel nur für einen bestimmten Transportzweck einsetzbar sind.
Können Sie sich noch an die Analogie zum Personenverkehr weiter oben erinnern? Es ist nicht nur so, dass jede Person einen einzelnen Waggon braucht und Umstiege nicht möglich sind, sondern immer der ganze Waggon ab- und an einen anderen Zug angekoppelt werden muss, wenn es keine Direktverbindung für ihre Reise gibt. Es ist nicht nur so, dass sich jeder Fahrgast auch selbst um diesen Waggon kümmern müsste, also entweder mieten oder kaufen. Nein, es kommt noch komplizierter: Der Waggon funktioniert dann nur für Menschen. Wenn Sie mal in die Verlegenheit kommen, Ihren Hund oder etwa Gepäck mitnehmen zu wollen, müssen Sie sich dafür dann jeweils nochmal um extra Waggons kümmern.
Die Grundphilosophie des Einzelwagenverkehrs ist Kern des Problems
Und diese Grundphilosophie ist Ursache des Kernproblems des Schienengüterverkehrs in Konkurrenz zum LKW: Es ist die Notwendigkeit der Zugbildung an sich, die sich aus dieser untrennbaren Einheit aus Rollmaterial und Ladegut ergibt. All die vorhin angesprochenen Problempunkte in Konkurrenz zum LKW sind ursächlich auf dieses eine Grundprinzip zurückzuführen.
Aufgrund dieser untrennbaren Kombination von Ladegut und Rollmaterial ist nach wie vor der Zugbildungsprozess nötig, der meiner Meinung nach Hauptursache für die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Schiene hinsichtlich Zeit und Kosten, und daraus resultierend auch hinsichtlich der Erreichbarkeit für den Kunden, verantwortlich ist.
Da Rollmaterial und Ladegutaufbau untrennbar miteinander verbunden sind, ist es nicht ohne aufwendige Zugbildungsprozesse möglich, einzelne Einheiten eines im Zugverband transportierten Ladeguts aus dem Zug herauszulösen oder zusätzliche Einheiten eines weiteren Ladeguts in den Zugverband einzureihen. Dies ist wie in den vorigen Abschnitten beschrieben nur mit Rangiervorgängen unter hohen Aufwendungen der Ressourcen Zeit, Gleisinfrastruktur und Personal möglich, wodurch die Transportketten sehr langsam und sehr teuer werden. Die im Masterplan Schienengüterverkehr geforderten Maßnahmen zielen zwar unter anderem darauf ab, den Zugbildungsprozess zu digitalisieren und automatisieren, um insbesondere Kosten durch Personaleinsparungen zu reduzieren.
Der grundlegende Prozess als Kern des Problems bleibt jedoch nach wie vor unangetastet. Auch ein digitalisierter und automatisierter Schienengüterverkehr benötigt nach wie vor enorme Gleisinfrastrukturen und betriebliche Mittel (Rangierloks, Güterwagen etc.), die dazu noch um die nötige Automatisierungstechnik aufgerüstet werden müssen und somit zwar weniger Personal, aber noch mehr Kapital binden und somit für Unternehmen, die nur kleinere Mengen zu verladen haben, noch größere Zugangshürden zum Markt darstellen.
Das Grundproblem wird dadurch aber nicht gelöst. Die fahrdynamisch-physikalischen Randbedingungen der nach wie vor grundlegend erforderlichen Rangierprozesse zur Zugbildung bleiben dieselben. Und damit bleiben auch der Zeit- und Infrastrukturbedarf sowie die Unflexibilität des Zugbildungsprozesses von den Innovationen weitestgehend unberührt.
Zusätzlich ändert auch die Digitalisierung und Automatisierung nichts daran, dass die für die Rangierbewegungen nötige Gleisinfrastruktur abseits größerer Knoten nicht mehr vorhanden ist und erst wieder langwierig und kostspielig aufgebaut werden müsste. Woran aber vermutlich niemand ein Interesse haben wird, dessen Nachfrage nicht die kritische Masse für Ganzzzugverkehre erreicht. Eben weil der Einzelwagenverkehr für kleinere zu versendende Mengen auch mit digitalisierten Güterwagen immer noch deutlich langsamer, teurer und aufwendiger sein wird, als einfach einen LKW zu bestellen.
Mit dem Einzelwagenverkehr wird ein totes Pferd geritten – wir sollten ihn aufgeben und bessere Lösungen finden
Die Produktionsprozesse im Einzelwagenverkehr wurden im Prinzip seit Erfindung der Eisenbahn nicht reformiert und sind nun seit etwa 200 Jahren dieselben. Meine Meinung ist daher: Um den Schienengüterverkehr wieder wettbewerbsfähiger gegenüber dem LKW aufzustellen, müssen Lösungen für dieses Kernproblem gefunden werden. Wir brauchen einen markttauglichen Ersatz für den Einzelwagenverkehr. Er ist schlicht nicht oder nur in ganz kleinen Nischen zukunftsfähig. Anderenfalls prophezeie ich trotz aller Automatisierungen folgende Entwicklung für den Schienengüterverkehr:
- der Schienengüterverkehr wird maximal für bahnaffine Güter im Ganzzugverkehr relevant bleiben, deren Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen jedoch tendenziell sinkt
- Maßnahmen wie die Digitalisierung und Automatisierung mögen zwar auch Vorteile für den Ganzzugverkehr bringen, für den Einzelwagenverkehr (und damit auch für Marktanteilgewinne im Verhältnis zum LKW) sind sie aber keine Gamechanger; sie werden hier keine substantiellen Verbesserungen bringen, da der grundlegende strukturelle Nachteil des Einzelwagenverkehrs – die langsame und teure Zugbildung aufgrund des starren Wagenkonzepts – nicht von diesen Lösungen beseitigt wird
- der Schienengüterverkehr wird weiter Marktanteile an den LKW verlieren, da das Konkurrenzprodukt zum LKW – der Einzelwagenverkehr – weiterhin nicht konkurrenzfähig wird und bedeutungslos bleiben wird
- der Einzelwagenverkehr wird entweder massiv staatlich subventioniert (wie die EVG ja bereits fordert) oder gänzlich vom Markt verschwinden und durch LKW-Verkehr ersetzt
- keine der beide Optionen sollte angesichts der Emissionsvermeidung und den übrigen schädlichen Effekten des zunehmenden LKW-Verkehrs im Interesse staatlichen Handelns sein
Es gilt also, Lösungen zu finden, wie kleinere Ladungseinheiten ohne aufwendige Zugbildung von A nach B mit der Eisenbahn transportiert werden können. Der Einzelwagenverkehr ist tot. Wie könnte die Eisenbahn aber solche Marktanforderungen trotzdem attraktiv bedienen? Eine mögliche Vision dazu ist im zweiten Teil dieses Beitrags skizziert.
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